Stadtführung 1

        Wollen Sie Moringen kennenlernen?       

- Rundgang durch eine alte Stadt -

von

Wilfried Hartje

Stand: "August 2000"

Sie sind auf der Durchreise oder zu Besuch in Moringen? - Sie wohnen hier und wollen sich einfach mal über Ihre Stadt informieren? - Sie sind zufällig auf dieser Web-Site gelandet? - Dann sind Sie bei mir genau richtig. Ich verspreche Ihnen informative Unterhaltung bei diesem Rundgang via Internet durch das mehr als 1000jährige Moringen und zeige und erkläre Ihnen, was es hier an Sehens- und Wissenswertem gibt.

Wir stehen vor dem Torbogen der alten Moringer Burg mit dem malerischen (neuen) Brunnen davor. Eingerahmt von Blumen und Rasenflächen mit alten Bäumen befinden sich hier heute die Stadt- und Forstverwaltung, das Heimatmuseum, dahinter der Städtische Kindergarten und der Stadtpark, der den Besucher zum Verweilen einlädt.

Von der alten Wasserburg, einst aus vier zu einem Viereck angeordneten Gebäuden bestehend, existiert heute nur noch das mittelalterliche „Brauhaus“, der älteste Profanbau Moringens, mit der jetzt zum Parkplatz ausgebauten „Esplanade“. In diesem Gebäude befand sich früher auch das Amtsgefängnis. Noch heute kann man in der Kerkerzelle die Krampen in der Wand sehen, an denen z. B. die 1831 auf dem Galgenberg hingerichteten Langheim und Hildebrandt (Wilderertragödie) angekettet waren.

Das Gebäude rechts vom Torbogen wurde 1721 auf den alten Burgfundamenten neu errichtet und diente zuerst als Amtshaus des Amtes Moringen, beherbergte ab 1949 das Amtsgericht und wird seit 1973 als Moringer Rathaus genutzt. Unmittelbar davor liegen die alten Wirtschafts-gebäude des Moringer Domänengutes, in denen heute Feuerwehr, Polizei, Altenbegegnungsstätte und Gemeinde-schwesternstation, sowie eine Zahnarztpraxis und das Jugendzentrum „Nest“ untergebracht sind.

Wir drehen uns um und schauen in „die Stadt“ hinein, die Lange Straße hinunter, die ihren Charakter als pulsierende Einkaufsssstraße fast verloren hat: Lebensmittelgeschäfte wie Gehmann, Bussmann, Fischer, Wüst und Mackensen, das Milchgeschäft Tute, die Bäckerei Erdfelder, das Fahrradgeschäft Sprenger, die Schlachterei Happe, die Eisenwarenhandlung Scheulenburg,

die Drogerien Diezmann und Siebert, die Textilgeschäfte Haake, Brüggemann und Plachetta, die Möbelgeschäfte Rümenapp und Krug sowie die Schuhgeschäfte Jürgens und Brauns gibt es heute nicht mehr, stattdessen Café, Pizzeria, Schnellimbiss, Videothek, Versicherungsvertretungen, Änderungs-schneiderei, med. Fußpflege, Lotto-Annahmestellen, und ein Handarbeits-geschäft.

die Drogerien Diezmann und Siebert, die Textilgeschäfte Haake, Brüggemann und Plachetta, die Möbelgeschäfte Rümenapp und Krug sowie die Schuhgeschäfte Jürgens und Brauns gibt es heute nicht mehr, stattdessen Café, Pizzeria, Schnellimbiss, Videothek, Versicherungsvertretungen, Änderungsschneiderei, med. Fußpflege, Lotto-Annahmestellen, und ein Handarbeitsgeschäft.

Das Straßenbild scheint nicht zu einer so alten Stadt zu passen, denn wir vermissen romantische Fachwerkhäuser und verwinkelte Gassen, wie sie zu einem mittelalterlichen Stadtbild gehören. Der Grund dafür liegt darin, dass Moringen sechsmal fast vollständig abbrannte, wie wir aus Domeiers Chronik erfahren:

Walpurgisabend 1461 (daran erinnert eine Inschrift an der Stadtkirche: „Up den Avend Walpurgis MCCCC, in dem LXI Jahre, Uhtbrende Moringen dat God nu bewaare.“)

1491: (Domeier bezieht sich jetzt jeweils auf Letzner) „Daß nemlich im Jahr 1491. die Stadt abermahls abgebrannt sey, da die Einwohner eben in der S.Martini Kirche dem Gottesdienst beygewohnet hätten.“

1496: „Sechs Jahr hernach im Jahr 1496. habe die Feuersglut alle Gebäude von einem Thor bis zu dem andern verzehret.“ (Anmerkung: vom Obertor bis zum Mannentor)

1506: „und bald darauf im Jahr 1506. am Gertruden Abend sey die Stadt wieder bis auf sechszehn Gebäude nach in Rauch aufgegangen.“

1566: „daß die von Göttingen im Jahr 1566. die Stadt verbrannt hätten“ (Moringen wurde erneut ganz eingeäschert, auch das allererste Moringer Rathaus fiel diesem Brande zum Opfer. Doch damit nicht genug, denn in diesem Jahr wütete auch noch die Pest in Moringen. 800 Menschen in Moringen kostete die Seuche das Leben.)

23. Mai 1734, als morgens um 8 Uhr beim Ausglühen von Öl ein Brand im Hause Büchenstr. Nr. 48 ausbrach, der nach einer Viertelstunde 18, nach 1 Stunde 50 Gebäude erfasst hatte.

Die Feuerspritze war bereits nach 15 Minuten durch herabstürzendes Balkenwerk zerstört worden. Erst im Laufe des Nachmittags gelang es mit den Spritzen aus Northeim, Hardenberg, Hardegsen und Göttingen, die durch reitende Boten herbeigeordert wurden, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Von den 800 Einwohnern wurden 564 ihrer Habe beraubt und obdachlos, 5 Menschen starben den Flammentod, 27 wurden schwer verletzt und 3 von ihnen erlagen später ihren Brandwunden. Das historische Moringen war ausradiert, an einen Wiederaufbau der durch den 30-jährigen Krieg verarmten Stadt eigentlich nicht zu denken.

Zwei Personen, ihre Ideen und ihre Energie stehen für den Wiederaufbau innerhalb von 4 Jahren auf einer doppelt so großen Grundfläche: Der Bürger-meister Johann Gabriel Domeier, Nachfolger des Bürgermeisters Cellarius (den man zur Verantwortung ziehen wollte, weil er nicht in der Lage gewesen war durchzusetzen, dass die Strohdächer der Häuser wie obrigkeitsseitig gefordert durch Ziegeldächer ersetzt wurden) und hauptsächlich der Landdrost von Münchhausen. Dieser gewann den Landesherren und die Landesstände für seinen Plan, Moringen als Musterstadt für einen zukunftsweisenden brandverhütungs-bezogenen Städtebau wiederaufzubauen und entsprechende Geldmittel dafür bereitzustellen:

Ein hartes, umfangreiches und undankbares Stück Arbeit, denn

So erhielt das wiederaufgebaute Moringen seinen heute „monoton“ anmutenden, damals aber modernen Charakter: „... so daß die Stadt nunmehro nicht allein um ein Großes erweitert ist, sondern auch ein gutes äußerliches Ansehen erlanget hat.“ (Domeier)

Nach diesen notwendigen Erläuterungen spazieren wir durch die Lange Straße, die heutige Stadtachse, die bis 1734 noch Büchenstraße hieß. Schon nach wenigen Metern zweigt rechts die Kirchstraße ab, die wir einige Schritte an der Liebfrauenkirche entlang hinunter-gehen.

Diese Straße war vor dem großen Brand die alte Achse der Stadt und hieß damals noch Marktstraße, denn um 1350 bekam Moringen Markt- und Gilderecht. Wann Moringen das Stadtrecht erhielt, ist leider nicht genau datierbar, aber bereits um 1650 beklagte die Stadt auf Anfrage des berühmten Kupferstechers Merian, dass, begründet durch die Brände von 1461 und 1496 keinerlei Unterlagen darüber mehr vorhanden seien. Vermutlich liegt aber die Stadtwerdung im Zeitraum von 1344 bis 1350, denn 1344 beginnt die Regierungszeit des Herzogs Ernst v. Braunschweig, dessen Wappen deutliche Übereinstimmungen mit dem ältesten Moringer Wappen zeigt: Als erster braunschweigischer Herzog führt er nämlich den „frei“ schreitenden Löwen (heraldisch: Leopard), der den Schildrand nicht berührt, in seinem Wappen. Um 1350 wurde die Stadtmauer erbaut. 1354 wird Hermann Hornhardt als Bürgermeister namentlich erwähnt; also war Moringen zu diesem Zeitpunkt bereits Stadt. Der Ort selbst ist viel älter und wird bereits 983 in einer klösterlichen und in einer kaiserlichen Urkunde erwähnt.

Zurück in die Kirch- oder Marktstraße: Um die (damals noch kleinere) Kirche herum fand der Markt statt. Dort, wo sich seit 1850 der Altarraum der Stadtkirche befindet, herrschte damals noch reges Markttreiben um einen Marktbrunnen herum. Dieser Brunnen ist auch einmal in die geschichtlichen Schlagzeilen geraten: „Anno 1645 ist Henrich Bode, der Organist den 20. Febr. in den Brunnen auf dem Marckte ersoffen, da er des Abends von einer Hochzeit gekommen.“ Mit dem Neubau des größeren Kirchenschiffs 1847-1850 wurde der Brunnen zugeschüttet.

Gleichzeitig wurden am alten Moringer Rathaus (erbaut lt. Domeier 1596 und 1597), dem neben den Resten der Burg einzigen Profangebäude der Stadt, der zum Marktplatz weisende Laubengang und die Freitreppe entfernt. Dennoch ist dieses „verstümmelte“ Rathaus auch in der heutigen Zeit noch ein imposanter Bau, wenn auch der Zahn der Zeit gewaltig an ihm nagt und eine Restaurierung und danach eine öffentliche Nutzung wünschenswert wären.

Aus der Chronik wissen wir, dass das Rathaus beim Brande 1734 großen Schaden dadurch erlitt, dass der östlich daneben liegende Ratskeller abbrannte und auch das Rathaus schon Feuer gefangen hatte. Man kann noch heute an Gemäuer und Fachwerk erkennen, wie weit der Schaden ging, bzw. welche Teile in den Jahren 1749 bis 1759 ausgebessert wurden. In diesem Gebäude wurde bis 1715 Gericht gehalten und von dort aus bis 1868 die Stadt verwaltet. Dann wurde es an die Domäne verkauft, um darin Arbeiter-wohnungen einzurichten.

Wir kehren zur Langen Straße zurück. Etwas versetzt beginnt links abzweigend die Neue Straße, die Verbindung zum Moringer Oberdorf, einem bis 1890 eigen-ständigen Gemeinwesen mit eigenem Bürgermeister und eigener Schule.

Um dorthin und zur St. Martinikirche zu gelangen, musste man durch das jüngste der damals 3 Moringer Stadttore gehen, das „Obertor“. Von ihm ist nichts mehr erhalten, außer der Überlieferung, dass es laut einer an diesem Tor befindlich gewesenen Jahreszahl im Jahre 1439 erbaut wurde. Abgebrochen wurde es bei der Stadterweiterung 1739 und später ersetzt durch ein neues, weiter vorgerücktes Tor. 1862 wurde auch dieses „Neue Tor“ entfernt.

Wenn wir uns umdrehen, sehen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Langen Straße das Haus Nr. 4, in dem die Brandkatastrophe 1734 begann, als die Frau Konrad Heuers Öl glühte und durch ihre Unvorsichtigkeit die Flamme in die Ölpfanne geriet, diese entzündete und danach das Strohdach in Brand setzte. Nachzutragen ist, dass „sich erwähnter Heuer mit seiner ganzen Familie aus dem Staube“ machte und sich so der beabsichtigten Arretierung entzog. Später sind die Eheleute Heuer zwar festgenommen, aber es konnte bei ihrem Leugnen die Brandursache nicht einwandfrei festgestellt werden.“ (vgl. „Der Brand Moringens am 23. Mai 1734“ von W. Beskow).

Nach einigen Schritte stehen wir vor einem weiteren historischen Gebäude, dem (neuen) Ratskeller aus dem Jahre 1736. Der alte Ratskeller war durch den Brand so stark beschädigt, dass er selbst nach notdürftigen Reparaturen nicht mehr als Gastwirtschaft zu nutzen war und das zugehörige Brauhaus in der Büchenstraße war ebenfalls betroffen. Da aber Brauhaus wie Ratskeller für die Stadt wichtige Einnahmequellen darstellten, verlagerte man das Brauhaus zum Hirtentor (heute: Mannenstraße) und baute auf dem Gelände des (alten) Brauhauses den neuen Ratskeller.

1824 stand eine Vergrößerung an: Ein zweites Obergeschoss wurde errichtet mit weiteren Fremdenzimmern und einem Tanzsaal. 1871 gelangte der bis dahin städtische Ratskeller in Privatbesitz. Der bisherige Pächter August Albert Steinhoff kaufte ihn für 7.710 Thaler. 1888 übernahm Louis Steinhoff die Gaststätte und machte 1895 daraus ein Hotel. Ab 1900 war der Betrieb in den Händen der Familie Hartmann. Im Jahre 1944 fiel der Inhaber Hermann Hartmann im 2. Weltkrieg. Seine Frau heiratete wieder und führte mit ihrem Mann Walter Schüler bis 1987 das Gasthaus. Zum 1.1.1988 wurde der Ratskeller aus Altersgründen geschlossen, 1989 starb Walter Schüler, 1992 die „letzte Wirtin dieses einst so renomierten Gasthauses. Das Gebäude steht zwar unter Denkmalschutz, seine Pflege war aber jahrelang vernachlässigt worden. Nun setzte sich der innere und äußere Verfall fort. ... Der alte, ehrwürdige, historische ‘Rathskeller’ bietet zur Zeit einen äußerst trostlosen Anblick in der Mitte unserer gepflegten Stadt.“ (aus: Gaststätten in und um Moringen früher und heute)

Ratskeller quo vadis?


Nach 50 Metern stehen wir vor einer Bankfiliale. Der Gebäudekomplex, in dem sie sich befindet, gehörte zum Meyerschen Gut.

Johann Wilhelm Meier (1693 bis 1760), Sohn des Northeimer Chriurgen Hermannus Meier und dessen Frau Engel Elisabeth, heiratete in Moringen die Tochter Margarete Magdalene des Oberkrügers Richter. Das Ehepaar betrieb in Moringen vor dem Brande von 1734 die Gastwirtschaft zu den „Drei Kronen“ einschließlich einer Brennerei und kam so zu Wohlstand. Nach dem Brande erhielt Meier eine doppelte Baustelle an der Ecke Lange Straße - Wasserstraße.

Dafür musste er die Bauleute für den Wiederaufbau Moringens beherbergen und verköstigen, wobei er gut verdiente und die Chance nutzte, in der neuerbauten Stadt einen größeren Hof zu gründen. Seine Gewinne legte er in Landkäufen an. Sein Sohn und Erbe Johann Georg Meyer musste infolge von Erbstreitigkeiten die Brennerei stilllegen und fast alle Grundstücke veräußern. Als er 1804 starb, besaßen seine Erben nur das verschuldete Haus, Garten, Wiese und etwas Ackerland.

Sein Sohn Carl Georg Wilhelm Meyer (1791 - 1860), hat dann mit Fleiß, Umsicht und kaufmännischem Geschick den Hof wirtschaftlich saniert. Nebenbei betrieb er einen einträglichen Handel mit Kleinwaren, Holz, Eisen und Immobilien und legte jeden Gewinn in Landkäufen an. Sein größter Ankauf war der Erwerb des Beaulieu-Mannomeyschen Rittergutes mit dem von Grapendorfschen Haus (Junkernhaus) in der Mannenstraße, von dem später noch die Rede sein wird.

Sein Sohn und Erbe Julius Meyer (1836-1914) kaufte 1870 die Landtagsstimme des damals aufgelösten Ritterguts Üssinghausen von v. Bodenwerder und ließ diese Stimme auf sein Gut in Moringen übertragen. So wurde das Meyer'sche Gut in Moringen zum Rittergut erhoben.

1917 wurde das Gut von der Erbin Else Meyer (1873-1933) verkauft, und zwar das Land an die Familie v.Münchhausen, die Häuser und Gärten an der Wasserstraße an die Zementfabrik Hardegsen. Seit eine Bank ihr Domizil hierher verlegt hat, erstrahlen die alten Gebäude in neuem Glanz.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zweigt eine sich gabelnde Straße ab, der Schneehof. Der Straßenname bezieht sich auf einen weiteren Gutshof in den Mauern Moringens, der in diesem Bereich der Stadt lag.

Herzog Otto „cocles“ hatte im Jahre 1429 für die Familie von Schneen einen Lehnsbrief ausgestellt, worin er einem Heinrich von Schneen (1408 Amtmann in Moringen) den Besitz eines freien Burglehens mit Haus und Hof an der Moringer Stadtmauer mit 4 Hufen (etwa 30 ha) Landes in der Lutterbecker Feldmark bestätigt. Auch dieses Gut ging später in den Besitz derer von Münchhausen (als Teil des Moringer Stadtgutes) über.

Im Bereich des Schneehofs befand sich auch die Moringer Synagoge, denn in Moringen gab es eine jüdische Gemeinde mit eigener Schule und eigenem Friedhof. Aus einem Antwortschreiben des Magistrats auf die Anordnung der Regierung vom 5.8.1748, Bericht zu erstatten über die Zahl der Schutzjuden, deren Namen, Familiengröße, Art des Handelns und der Zahl der angestellten Knechte wissen wir, dass es zu diesem Zeitpunkt 3 jüdische Familien in Moringen gab. Bis 1808 war die Zahl auf 9 Familien angewachsen und im Jahr 1819 waren von den 1100 Einwohnern der Stadt 60 Juden. Diese Zahl änderte sich bis 1850 nicht wesentlich. 1862 erreichte die jüdische Gemeinde mit 84 Personen in 15 Familien ihre höchste Mitgliederzahl. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 ging die Zahl wieder rapide zurück, denn in dem danach rasch aufblühenden Deutschen Reich boten sich an anderen Orten bessere Geschäftsmöglichkeiten.

In den Jahren 1837/38 wurde die Moringer Synagoge gebaut und am 17.8.1838 eingeweiht. Die Chronik berichtet von 2 Gottesdiensten an diesem Tag:

Einen in Hebräisch für die jüdische Gemeinde und einen in Deutsch für die geladenen Amts- und Stadtbeamten, Geistlichen und Honoratioren.

Bei dem Bau handelte es sich um ein größeres Fachwerkhaus mit Rundbogen-fenstern. Das Innere bestand aus „einem großen, sehr hohen Raum, dessen eines Ende oben die abgegitterte Frauenempore trug. Dieser gegenüber befand sich im Norden ein durch einen Vorhang abgeschlossener Raum, die Apsis, in der sich der Thoraschrein befand“. (Stadtchronik)

Überliefert ist ferner, dass mit Beginn des „Dritten Reiches“ durch Abwanderung die Zahl der Gemeindemitglieder stetig schrumpfte, so dass Anfang 1938 die Synagoge von der jüdischen Gemeinde an den Schäfer Schrader verkauft wurde. Dieser bezahlte den Kaufpreis an den Kaufmann und Vorsteher der Synagogengemeinde Meyerstein, der auch die Gottesdienste leitete, seit weder ein Rabbiner noch ein jüdischer Lehrer mehr in Moringen zur Verfügung standen.

Eine Beziehung zwischen der Pogromnacht und dem Kauf bestand nicht, denn der Kauf wurde bereits Anfang 1938 getätigt, die „Reichskristallnacht“ war erst am 9.11.1938. Der Kaufpreis soll ein „normaler“ Hauskaufpreis gewesen sein.

Im Laufe der Jahr wurde das Haus mehrfach umgebaut, eine Zwischendecke eingezogen und Anbauten vorgenommen, so dass vom ursprünglichen Charakter des Gebäudes nichts mehr erhalten blieb.

Eine israelitische Schule gab es auch. Sie war einklassig und zuletzt im alten Moringer Schulgebäude (1971 abgerissen) mit untergebracht. Die Schülerzahl sank stetig und die Kosten für die Elementarklasse konnte von den 36 in Moringen ansässigen Juden nicht mehr aufgebracht werden. So wurde die Schule 1921 per Regierungsbeschluss aufgelöst, der letzte jüdische Lehrer Waller als Lehrer an der ev.-luth. Volksschule angestellt und die letzten vier jüdischen Schüler mit übernommen.

Auf der hohen Anhöhe des Hagenbergs befindet sich noch heute der ehemalige jüdische Friedhof. Durch eine neue Pforte betritt man den von hohen Waldbäumen beschirmten Friedhof. Die durch das Laubdach dringenden, auf die alten, verwitterten Grabplatten und Grabsteine fallenden Sonnenstrahlen vermitteln dem Besucher ein Gefühl von Stille, Geborgenheit, Würde und Ewigkeit ...

Zurück zu unserem Stadtrundgang. Wir befinden uns wieder in der Langen Straße, die im Bereich einer Apotheke den Bach Moore überquert, der bis 1734 außerhalb der Stadt verlief. Hier befand sich das Büchentor, das im Rahmen der Stadterweiterung abgerissen wurde. Von Domeier wissen wir, dass es seinen Namen „von einer großen Büche (Buche), worunter die Alten ihre Versammlungen gehalten“ hatte, und er beschreibt es folgendermaßen:

„An dem alten Büchen-Thor war ein steinerner Kopf in Menschengestalt von ungeheurer Größe, und der sich das Maul mit beyden Händen von einander zerrete, eingemauret zu sehen, welcher von den Reisenden vor das so genannte Wahrzeichen der Stadt angenommen wurde.“

Das Tor wurde im Jahr 1737 neu aufgebaut und trug jetzt den Namen Einbecker Tor, doch davon später.

Auf der linken Straßenseite folgt ein mächtiges Gebäude, das heute mehrere Arztpraxen beherbergt. Es handelt sich um das „v.Münchhausensche Herrenhaus“. Nach dem großen Brand wurde das Moringer Stadtgut draußen vor dem Büchentor neu aufgebaut. Der eigentliche Gutshof war der heutige Rathausplatz (der heißt so, weil das Herrenhaus lange Zeit als Moringer Rathaus genutzt wurde, bevor es in das alten Amtsgebäude auf dem Gelände der ehemaligen Wasserburg umzog). Noch erhalten ist die alte Steinscheune des Gutes mit der Inschrift am Nordgiebel: „B.v.M.- ERBAUT 1861- C.P.A.F“.

Nicht nur mit seinem Stadtkonzept machte v. Münchhausen von sich reden: Unter der Leitung eines Bürgermeisters Domeier und eines Landdrosten von Münchhausen entstand wie geschildert auf den planierten Ruinen ein „modernes“ Moringen mit breiten Straßen, Bürgersteigen und einem vom Gedanken des Brandschutzes bestimmten Stadtbild. Moringen erholte sich wirtschaftlich und blühte auf.

Früh erkannte der Drost, dass die Zukunft in der Ausbildung der Jugend liegt: Dem Oberdorf wurde eine eigene Schule gestiftet und eines der modernsten Waisenhäuser der damaligen Zeit entstand vor dem Büchentor gegenüber von seinem Herrenhaus.

Domeier sagt darüber: „Das in Moringen befindliche Weysenhauß anlangend, so ist solches vermöge Landtags-Schlusses vom Jahre 1732 zum Besten derer Fürstentümer Calenberg, Göttingen und des so genannten Hemelnschen Quartiers auf landschaftliche Kosten angeleget worden. Mit dem wirklichen Bau aber hat man allererst im Jahre 1738 angefangen, und solchen im Jahre 1745 vollendet. So wohl das Haupt- als auch die Neben-Gebäude sind sämtlich auf das dauerhafteste, bequemste und zierlichste angeleget, so daß dieses unter die prächtigsen Waysenhäuser Deutschlandes mit Recht gezählet werden kan.“

Nach diesem Zitat nötige ich Sie zu einem Gedanken- und Zeitsprung von 200 Jahren nach vorn. Ich fahre fort mit einem Zitat, einer Passage, aus dem Jugendbuch „Paule Pizolka oder Eine Flucht durch Deutschland“: (Anmerkung: Wir befinden uns immer noch vor der Freitreppe des ehemaligen Waisenhauses.)

Die Moringer mußten daran gewöhnt sein, daß Menschen in Ketten durch ihren Ort geführt wurden. Niemand blieb stehen, kein Blick traf Paule, als er zwischen seinen beiden Bewachern unter lautem Klirren die schnurgerade Hauptstraße entlangmarschierte.

Vor einem langgestreckten, mit rotem Sandstein abgesetzten Gebäude blieben sie stehen. Emil zeigte zu einer Doppeltreppe hinauf, die zum Eingangsportal führte.

„Da sind wir, junger Mann“, sagte er. „Halt dich wacker hier in diesem Laden, sonst kann dich deine Mama auf dem Friedhof besuchen. Da liegen schon einige Jungs. Also immer auf Zack sein.“

Er schob Paule die Treppe empor, klopfte, und einen Augenblick später schwang ein Türflügel auf.

Ein Bewaffneter in Feldgrau, am Kragenspiegel den Totenkopf der SS, trat hinaus und grüßte.

Die Justizbeamten grüßten zurück, und Robert meldete: „Die Überstellung aus Duisburg.“

Der SS-Mann nickte und wies mit dem Daumen hinter sich. „Im ersten Stock. Ihr kennt euch ja aus“, sagte er.

Sie schoben Paule die Treppen hinauf. In einem hohen Flur blieb Emil als Wache bei ihm zurück, während Robert in einem Gang verschwand.

Das düstere Gebäude wirkte wie ausgestorben, und Paule spürte, wie die Kälte die Steinfliesen über seine Füße die Beine hochkroch. Die Kette rasselte so laut über den Stein, daß er unwillkürlich zusammenfuhr.

Unmittelbar darauf kamen eilige Schritte die Treppe hinauf. Ein Scharführer, Akten unterm Arm, stürmte an ihnen vorbei.

Emil nahm Haltung an und grüßte.

Der Scharführer grüßte zurück, machte auf dem Absatz kehrt und starrte Paule ins Gesicht.

„Noch nie was von Grußpflicht gehört?“ fuhr er ihn an.

Paule hob mechanisch die rechte Hand, seine angekettete Linke schoß mit nach oben. „Heil Hitler“, sagte er.

„Du dreckige Laus“, schrie der Scharführer, „du wagst es, den Namen des Führers in deinen ungewaschenen Mund zu nehmen?“ Er stieß Paule vor die Brust und schickte ihn kopfüber die Treppe hinab.

Paule polterte, in seine Ketten verheddert, über die Stufen, schlug gegen die Kanten und landete auf dem Treppenabsatz.

„Aufstehen, und marsch, marsch zurück!“ befahl die Stimme von oben.

Mühsam rappelte sich Paule hoch, stapfte kettenklirrend die Stufen hinauf.

„Achtung, stillgestanden!“ befahl der Scharführer. „Hände langgestreckt, Schultern zurück, Kinn höher, Mann, und mit Kopfwendung folgen. So hast du zu grüßen. Verstanden?

„Ja“, sagte Paule und polterte zum zweiten Mal über die Stufen, schmeckte Blut im Mund, spürte im Kreuz einen stechenden Schmerz.

(Zitiert aus: Arnulf Zitelmann „Paule Pizolka oder Eine Flucht durch Deutschland“, 1991 Beltz Verlag, Weinheim und Basel)

Moringen --- Bis zum Juli 1944 waren im Lager 41 Sterbefälle zu verzeichnen, darunter drei Selbstmorde und ein Fall von Erschießen auf der Flucht. Als die Auflösung 1945 erfolgte, war die Todeszahl auf 56 angestiegen, wobei sich diese Zahl noch um mindestens 14 erhöht: Todesfälle im Asylierheim für Tbc-Kranke in Benninghausen bei Paderborn, wohin das Lager Jungen mit offener Tuberkulose überwies. (Quelle: KZ Moringen, Dokumentation)
 Auch dieses ist leider Moringer Geschichte und darf daher nicht verschwiegen werden. Das Gräberfeld und der Gedenkstein auf dem Moringer Friedhof halten die Erinnerung wach und mahnen ...

1798 wurde das Waisenhaus geräumt, um darin eine Zuckerfabrik einzurichten. Preußen hatte, um Englands Handel zu blockieren, die hannoverschen Flußmündungen besetzt. Dadurch kam kein Zucker aus Übersee mehr herein und man versuchte, den Bedarf durch eigene Herstellung zu decken. Das Projekt „Zuckerfabrik“ wurde aber aus Geldmangel nicht verwirklicht, und so behielt Moringen sein Waisenhaus weiter bis 1818.

In diesem Jahr wurde es vom Königreich Hannover für 10.000 Thaler übernommen, um darin eine Korrektionsanstalt, das spätere Provinzialwerkhaus einzurichten. 1871-75 wurde der Gebäudekomplex erheblich erweitert, die inzwischen häßlichen Hintergebäude abgerissen und durch neue ersetzt. 1880 errichtete man auch eine eigene Kapelle, 1887 beschloss der Provinzial-Landtag die Einrichtung einer besonderen evangelischen Predigerstelle.

1933 entstand aus dem Provinzialwerkhaus ein Konzentrationslager für Männer, 1933-1938 ein Frauen-KZ und von 1940–1945 ein Konzentrationslager für Jugendliche mit dem verharmlosenden Namen „Jugendschutzlager Moringen“ --- und alles unter den Augen der Bevölkerung, mitten in unserer Kleinstadt, und kaum einer will gewußt haben, was wirklich war. Eine Gedenktafel am Treppenaufgang dokumentiert heute das Gewesene ...

Jetzt beherbergt dieser Gebäudekomplex die Patientenschule des Niedersächsischen Landeskrankenhauses. Diese Klinik hat als forensisch-psychiatrisches Krankenhaus überwiegend gerichtlich untergebrachte Patienten zu behandeln. Im erforderlichen Maße muß auch die Sicherung der Patienten gewährleistet sein.

Wir gehen einige Schritte weiter, schauen durch mehrere eiserne Gittertore hindurch und werfen einen Blick auf die oben erwähnte, hinter Bäumen versteckte sehr hübsche Kapelle, in die die alte von Münchhausensche Familienorgel aus dem Herrenhaus umgezogen ist, aber wer in Moringen weiß das schon ...

Wir gehen weiter und nähern uns dem Ende der Langen Straße. Zwei wuchtige Torhäuser sind die letzten Zeugen des Einbecker Tores, das nach der Stadterweiterung das Büchentor ersetzte. Einst dienten sie dazu, dem Tor Haltbarkeit und Stabilität zu geben. Aus der Anfangszeit der Fotographie (etwa 1860) stammt die Aufnahme des Tores.

Das Einbecker Tor überragte alle Häuser der Langen Straße an Höhe. Es hatte etwa die Höhe eines dreistöckigen Hauses, die nadelförmige Spitze nicht mitgerechnet. Zu dieser Spitze wurde, so berichtet die Chronik „die Bedachung des Tores seitlich in konkaven Bogen geführt. Das Tor hat eine Durchfahrt, die nicht so breit ist wie die Straße, aber in der Höhe des Rundbogens bis zur Dachtraufenhöhe der zweistöckigen Häuser der Langen Straße reicht.“

An der stadtauswärtigen Seite soll sich als Wahrzeichen der Stadt ein in Stein gehauener Löwe „von großem Ausmaße, mit weit geöffnetem Rachen, wie er auch im Stadtwappen steht“ (Poten, Moringer Magistratsarchiv 4393) befunden haben. Das Tor wurde 1865 abgebrochen, der Löwe zerschlagen und für die Fundamentierung des damaligen Schulneubaus an der Einbecker Straße verwendet.

Die Torhäuser wurden in den Jahren 1844/45 restauriert und anschließend als Försterhaus das eine, als Wacht- und Feldhüterhaus das andere genutzt.

Heute dient das linke Torhaus als Wohnhaus, das rechte seit 1993 als KZ-Gedenkstätte mit einer Dauer-ausstellung zu den Konzentrationslagern in Moringen, dem Angebot von Führungen und Stadtrundgängen, einem Archiv zu den drei Konzentrationslagern, Medienangeboten (Bibliothek, Videos etc.) und der pädagogischen Betreuung von jugendlichen Besuchergruppen.

Eine eigene Internetseiteinformiert umfassend über die Gedenkstättenarbeit, Träger, Ausstellungen, Öffnungszeiten und Kontaktadressen.

Wir stehen nun vor dem neuen „Moringer Kreisel“, der die Straße zum Töpferdorf Fredelsloh, zu der Bierstadt Einbeck und die alte Northeimer Heerstraße miteinander verknüpft und bewegen uns stadtauswärts Richtung Northeim.

Dabei passieren wir die Domeier-Straße und sehen am Ende der Breslauer Straße die jüngste Moringer Kirche, die kath. St.Ulrich-Kirche, die bei ihrer Einweihung im Jahre 1959 St.Ulrich, dem mutigen und tatkräftigen Augsburger Bischhof, der vor mehr als tausend Jahren dem Ostansturm Halt gebot, geweiht wurde.

Gleichzeitig wurde damit an die St.Ulrich-Verehrung in Moringen angeknüpft:

Es gab in unmittelbarer Nähe des Immedinger-Hofes, des Deichwallgutes, von dem beim „Junkernhaus“ noch die Rede sein wird, eine „St.Ulrichs-Kapelle“ unter dem Patronat von Paderborn, das vermutlich 1299 auf die Herren v. Rosdorf übertragen wurde.

Diese Kapelle wurde zum 1.3.1564 niedergelegt. Steinreste fanden Verwendung als Unterpackung bei Betonierungsarbeiten (nach 1945) im Bereich der Deichwallsmühle. Der Triebwerkskeller der Mühle wurde teilweise aus den Steinen der Kapelle gemauert, was ein Stein in der Wand mit der Jahreszahl 1131 belegt.

Diese außerhalb der Stadtmauern gelegene Kapelle gewinnt ihre Bedeutung dadurch, dass erst durch ihre Existenz der Bau einer eigenen Kirche in der Stadt möglich war. Das muss erklärt werden:

1350 war die junge Stadt bis dahin kirchenlos; Gottesdienste wurde in der St.Martinikirche in Kirschhagen, dem Oberdorf abgehalten. Nun stifteten die Herren von Rosdorf der Stadt eine Kapelle, auf die sie ihr bestehendes Patronatsrecht von der St.Ulrich-Kapelle übertragen konnten.

1488 wurde diese St.Marien-Kapelle Pfarrkirche der Stadt und die St.Ulrich-Kapelle ihr unterstellt. Erst aus einer Urkunde über diesen Vorgang haben wir von deren Standort erfahren.

Wir gehen weiter und biegen in die Mannenstraße ein. Dabei fällt der Blick auf ein Industriedenkmal auf dem Gelände der Stadtwerke: Das Gasometer der ehemaligen Gasgewinnungsanlage.

Im März 1906 wurde der Bau einer Gasanstalt beschlossen und mit dem Bau sofort begonnen. Bereits am 20. September 1906 brannten in Moringen erstmalig die Gaslaternen. Im Jahre 1947 wurde im Gaswerk ein neuer Dreier-Retortenofen eingebaut, später eine Gassauger- und Teerscheideanlage.

Mit dem Anschluss an das Ferngasnetz und der Umstellung des Gaswerks 1965 war das Gasometer überflüssig geworden.

Der Weg führt uns wieder in den Ortskern zurück. Über mehrere hundert Meter gehen wir am Gelände des Niedersächsischen Landeskranken-hauses entlang, passieren dabei zuerst den Haupteingang, dann Parkplätze, Gärtnerei und die ehemalige Landwirtschaft und stehen plötzlich vor dem ins Auge springenden „Lila Haus“, dem sog. Junkernhaus, dessen Geschichte ich Ihnen kurz vorstellen möchte.

Es wurde nach dem großen Brande von 1734 erbaut, und zwar an der Stelle, wo sich früher das Herrenhaus des Gutes am Deichwall befunden hatte.

Jenes Gut hatte in frühen Zeiten dem Bistum Paderborn gehört, später den Herren von Rosdorf. Nach 1739 kam es durch Kauf in den Besitz des Landesherrn.

Das Gutshaus wurde dann innerhalb der Stadtmauern erbaut; es fiel auch dem großen Schadenfeuer zum Opfer. In jener Zeit war die Familie von Mandelsloh Besitzerin des Gutes. Das neue Gutshaus, das „Junkernhaus“, dürfte wohl bald nach dem Brande von 1734 gebaut sein, vielleicht auf den alten Grundmauern und unter Verwendung der alten Baumotive. Vermutlich im Jahre 1821 wurde es umgebaut und erweitert.

Die Familie von Mandelsloh verkaufte 1764 Gut und Haus an die Familie von Grapendorf, von ihr kaufte es 1786 der Oberforstmeister Beaulieu-Manomay. Die Familie Meyer, aus Northeim stammend, hatte in Moringen, wie Sie bereits erfahren haben, durch Landaufkäufe ein weiteres Gut in der Stadt gegründet. Es war Carl Meyer (1791 - 1860), der es mit viel kaufmännischem Geschick in Moringen zu Wohlstand brachte, nachdem Vater und Großvater mit wechselndem Glück hier als Gast - und Landwirte tätig waren. Er kaufte 1833 auch das Gut am Deichwall und erwarb dazu das Junkernhaus in der Mannenstraße. Dieses bestimmte er als eine Art Zufluchtsstätte und Altersheim für Angehörige der Familie Meyer, die in Not geraten waren oder mit dem Leben nicht fertig wurden.

Zuerst übernahm das Haus sein Bruder, der pensionierte Major Gustav Meyer und bewohnte es mit seiner Haushälterin. Er soll eine originelle, in Moringen bekannte und beliebte Persönlichkeit gewesen sein, von dem noch manche Anekdoten erzählt werden. Nach seinem Tode (1857) fiel das Haus an seinen Bruder Carl zurück. Nun wurde es von dem Justizsekretär Krull und seiner spanischen Frau bezogen, später vom Bürgermeister von Hinüber. Wahrscheinlich war in diesem Haus in jener Zeit vorübergehend auch das Standesamt.

Wir gehen die Mannenstraße einige Schritte zurück zum Beginn der Grabengasse. In diesem Bereich, vor der Moore, muß das „Untere Tor“, auch „Hirtentor“ genannt, gestanden haben, das nach 1734 als 4. Moringer Stadttor erbaut wurde. Vor dem großen Brande befand sich hier nur eine Notpforte, die in Friedenszeiten für den Viehaustrieb benutzt wurde. In Belagerungszeiten diente sie dem Einschlupf der Vorfeldverteidiger bei bereits geschlossenen Stadttoren.

Nach etwa 100 Metern treffen wir auf die letzten Reste der Moringer Stadtmauer. Viel ist von dem alten Stadtbefestigungsring leider nicht mehr erhalten. Gründe dafür sind, dass

  • durch die fortschreitende Verbesserung der Kriegstechnik, die Stadtmauern immer nutzloser wurden,
  • bei der Stadterweiterung die Stadtmauern nicht versetzt, statt dessen aber erdbefestigte Pallisaden angelegt wurden und man
  • für den Wiederaufbau Moringens dringend Baumaterialien benötigte.

So ist es nicht verwunderlich, dass Grundstücke an der Stadtmauer sehr gefragt waren. Auch der Drost von Münchhausen erwarb (1767) einen Teil der Mauer, um aus dem Abbruchmaterial einen neuen Schafstall bauen zu lassen.

An der Einmündung der Grabengasse in die Hagenbergstraße treffen wir auf ein prächtiges Gebäude, das sogenannte „Wagemannsche Haus“, ein Pfarrhaus, in dem Wissenschaft, Kunst und Geselligkeit gepflegt wurden.

Erbaut wurde es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Pastor Dr. Ferdinand Wagemann, dem damaligen Inhaber der 1. Pfarrstelle der Stadtkirche, der hier fast 40 Jahre seines Amtes gewaltet hat. Er und seine Frau sprachen fließend französisch und englisch, die Kinder wurden vom Vater zudem in Latein und Griechisch unterrichtet. Das Haus war sehr gastfreundlich und weltoffen: Ständig waren junge Pensionärinnen zur Vervoll-kommnung ihrer Bildung zu Gast.

Eine der Töchter, Anna Wagemann, hat später an Fürstenhöfen als Erzieherin gewirkt und die Schwester der letzten deutschen Kaiserin, die Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein unterrichtet. In ihrem Buch „Prinzessin Feodora - Erinnerungen an den Augustenburger und den Preußischen Hof“ beschrieb sie u. a. auch ihre Erinnerungen an das Leben ihrer Familie in Moringen.

Pastor Wagemann soll ein recht temperamentvoller Prediger gewesen sein. Ein alter Moringer kann eine Sonntagspredigt nicht vergessen, die er als Schuljunge auf dem Chor anhörte. Vom Inhalt der Predigt weiß er weniger, aber daß bei dem lebhaften Gestikulieren des Pastors Wagemann plötzlich die Bibel von der Kanzel flog, sehe er noch wie heute vor sich. Auch dass der Küster Cleve herzueilte, die Bibel aufhob und nach oben trug. Als er sie aber dem Pastor auf der Kanzel zureichen wollte, habe der unwillig abgewehrt.

Wir setzen unsern Weg fort, gelangen über die Bahnhofstraße zum Anfang der Mannenstraße. An dieser Stelle hat das älteste Moringer Stadttor einmal gestanden, das Mannentor, das auch bei dem Brand von 1734 keinen Schaden genommen hatte. Als einziges Tor wurde es bei der Stadterweiterung 1734 - 1738 nicht umgesetzt.

Zum äußeren Erscheinungsbild des Tores lesen wir in der Chronik folgende Passage: „Neben diesem Tor befand sich ein massives - flankierend gesetztes Torhaus / Torwärterhaus, in dessen Untergeschoss ein Teil der Stadtgeschütze aufbewahrt wurde. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Torver-schluss gewidmet. Da die schweren Türflügel nicht mit der erwünschten Geschwindigkeit geschlossen und durch Sperrbalken gesichert werden konnten, brachte man vor ihnen ein Fallgatter an, dessen Betätigung nur des Lösens einer haltenden Kette bedurfte.

Dieser Verschluss erforderte stets notwendigen Raum über dem Tordurchlass, welcher der Höhe des aufzuholenden Gatters entsprach. Deshalb wurden die Moringer Stadttore als viereckige Türme ausgeführt. Da jedoch der Moringer Wallgraben breiter war als die Torturmhöhe, wurde auf Zugbrücken verzichtet und der Graben zunächst durch eine lange - im Notfall rasch abbrennbare - Holzbrücke überbrückt. Diese über den Graben führende Brücke benötigte nochmals eine Sicherung am äußeren Grabenrand: Dem inneren Haupttor wurde noch ein zweites äußeres Tor weit vor dem Wall vorgelegt.“

Bleibt noch etwas über das Ende dieses Stadttores zu sagen: 1836 wurde es als erstes der 4 Tore abgerissen. Die Passage war zu eng geworden, und das übergewölbte, baufällige Bogentor stellte eine Gefahr für den Verkehr da. Einen Torverschluss gab es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr.

Hätte man damals doch nur die Befestigungswerke der Stadt entfernt, die für die Verkehrsführung wirklich „unumgänglich“ waren! Unsere Kleinstadt wäre heute ein Juwel und ein Magnet für den Fremdenverkehr ...

Unser Rundgang nähert sich seinem Ende. Im hellen Sonnenlicht grüßt zu uns die italienische Haube der Stadtkirche hoch über den Dächern und Bäumen der Amtsfreiheit herüber. Nur noch wenige Schritte und wir befinden uns wieder am Ausgangspunkt des Rundganges.

Ich hoffe, Ihnen ein guter Fremdenführer gewesen zu sein.

Wenn es Ihnen gefallen hat, würde ich mich über eine Rückmeldung per "Kontakt-Formular" (links) sehr freuen..

Herzlichst Ihr

Wilfried Hartje


Verwendete Literatur:

Ohlmer: „1000 Jahre Moringen“, Chronik, Hildesheim 1983

Domeier: „Geschichte der Stadt Moringen“, Göttingen 1753

P. G.: „Zeit- und Geschichtsbeschreibung des Amts und Städtleins Moringen“, 1739

Stadt Moringen: „Aus tausend Jahren Moringer Geschichte“, Moringen, Oktober 1947

Beskow: „Der Brand von Moringen am 23. Mai 1734“ in Heimatblätter April/Mai 1934

Gesellschaft für christl.-jüd. Zusammenarbeit Göttingen e.V. und ev.-luth. Pfarramt Moringen: „KZ Moringen - Eine Dokumentation“

Quensen: „Moringen–zwischen Solling und Leinetal-“, Lamspringe 1982

Bäulke/Körber: „Gewässer und Mühlen in Moringen“, Hannover 1995

Brandhorst: „Gaststätten in und um Moringen früher und heute“, Northeim 1997

Überarbeitung: