Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Urkunde in einem Grundstein der Stadtkirche

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 23.03.68:
Urkunde in einem Grundstein der Stadtkirche
Erst nach 50 Jahren wurde der Öffentlichkeit Kenntnis davon gegeben

M o r i n g e n Erst im Jahre 1904 wurde der Moringer Öffentlichkeit Kenntnis von einer Urkunde gegeben, die beim Wiederaufbau der Stadtkirche im Jahre 1847 in einem Grundstein eingemauert wurde. Sie hat folgenden Wortlaut:

 
Grundsteinlegungs-Urkunde,
 
die beim Bau der jetzigen Stadtkirche zu Moringen am 30. Juni 1847 in einem Grundstein derselben eingemauert worden ist.
Der Nachwelt unsern schönsten Gruß zuvor.

Die seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Trümmern gelegene Kirche der Stadt Moringen soll nun nach überwundenen unsäglichen Schwierigkeiten endlich, jedoch mit Ausschluß des Thurmes, zur Ehre Gottes wiedererstehen.

Nachdem gerade mit Eintritt des Frühlings des Jahres Eintausend Achthundert Sieben und Vierzig nach Christi Geburt unter den Auspizien der Kirchen-Kommissarien:
des Amtmanns von Hinüber zu Moringen und des Bürgermeisters Wuthmann daselbst,
ferner der Bauverständigen:
Landesbaumeister Otto Prael zu Göttingen, Zimmermeister
Eduard Freise und Maurermeister Georg Freise, beide von Göttingen,

der ernsthafte Anfang des Baues begonnen hatte, und um Johannis desselben Jahres das kolossale Fundament beendigt worden, so war es nach einem alten ehrwürdigen Gebrauche an der Zeit, daß eine feierliche und förmliche Grundsteinlegung hätte stattfinden müssen.

Es war zugleich eine, besonders durch das Brennen von Branntwein aus Kartoffeln herbeigeführte unglückliche Zeit, die nahe an eine Hungersnoth grenzte - unter Andern kostete der Himbten Rocken 3 1/2 Thaler, Waitzen 3 2/3tel, Gerste 2 2/3tel, Hafer 1 1/6tel, Erbsen 2 1/2, Linsen 2 2/3tel, Kartoffeln einen Thaler Courant - so daß es wohl recht und billig gewesen wäre, denen, bei Herstellung des Fundaments beschäftigt gewesenen Arbeitern, zur Stärkung ihrer, besonders beim Einrammen von nahe an 500 Bäumen, ausgereckten Glieder, eine kleine Ergötzlichkeit auf Kosten der Stadt zu verabreichen.

Da solches jedoch an dem Willen und Starrsinn des obbenannten zeitigen, in allen Kreisen der Stadt unbeliebten, ja verhaßten Bürgermeisters und Concommissarii Wuthmann gescheitert ist, so haben sich die unterzeichneten Freunde einer heiligen, guten Sache wenigstens veranlaßt gefühlt, diese kleine urkundliche Nachricht in diesen Grundstein, der gleich deshalb ein Denkstein sein soll, verwahrlich niederzulegen und solchergestalt einer entfernten Nachwelt zu überliefern.

Nun bemerken wir noch nachrichtlich Folgendes:
I. Die gute Stadt Moringen hat zur Zeit 1466 Einwohner und 159 Wohnhäuser.
II. Der Magistrat der Stadt besteht zur Zeit aus:
dem Bürgermeister Johann Friedrich Wuthmann, dem Senator H. F. Poten und dem Senator Dr. med. Henkelmann.
III. Beim Amte Moringen - Hardegsen, das seinen Sitz in der Stadt Moringen hat, sind zur Zeit angestellt:
1. der Amtmann Justus Julius von Hinüber, 2. der Amtsassessor Georg Christian Wilh. Schuster, 3. der Amtsassessor Franz Georg Ernst Frobese, 4. der Auditor Dr. August Wehmann, 5. der Amtsrentmeister R. Brönnenberg, 6. der Obervoigt H. W. Böttcher, 7. der Obervoigt A. W. Verkely
IV. Am Werkhause wirken:
a, als Direktor: Rittmeister a. D. Deichmann, b, der Hausverwalter Trage und c, der Werkmeister Weiß, d, als Geistliche: Pastor Hunnemann, lutherischer Prediger, Pfarrer Bögershausen, katholischer Prediger, e, als Ärzte: Landphysikus Dr. Seppler und Landchirurg Laufköter.
Zum Schluß bitten wir noch, daß der Bau der neuen Kirche ohne allen Unfall vollendet werde, daß Gottes Auge auf alle, die hineingehen zu Gesang, Gebet und Andacht, gnädig und mild hernieder blicken, seine Gnade alle, die seinen Namen gern bekennen, in seine Obhut zu nehmen, die schwachen Herzen erleuchten und trösten möge in ihrer Noth, und daß alle Christen dieser Gemeinde gedeihen, leben und sterben mögen in der Liebe zu Gott und unserem Erlöser Jesu Christi.
Amen, Amen!!!
So geschehen zu Moringen, den dreißigsten Junius Eintausend Achthundert Sieben und Vierzig:
Christoph Hermann Ludwig von Helmolt, Advokat und Notar. Apotheker August Meyer. Dr. phil. Wilhelm Ehrichs, Rektor und I. Knabenlehrer. Fritz Wolter. Schuhmacher Gustav Albrecht. Maurermeister Heinrich Senne. Tischlermeister Carl Lund. Klempner Fritz Franke. Dr. med. Henkelmann. Wilhelm Goetz von Olenhusen. Tischlermeister Christian Lund. Schmiedemeister Fr. Meinshausen.
 

Vorstehende Urkunde ist uns in Abschrift von einem geborenen Moringer und zwar von Herrn Emil Ehrichs, Gerichtssekretär a. D. in Goslar übersandt.

Derselbe knüpft daran folgende Bemerkungen:

  1. Die Einmauerung ist an der nordöstlichen Ecke der Grundmauer, gegenüber dem jetzigen Sekundariat-Pfarrhause (früher von Helmolt’schen Hauses) in der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli 1847 erfolgt. Die Urkunde ist in einen schönen Blechkasten gelegt, den der damals in Moringen wohnhafte, später nach Northeim verzogene und daselbst verstorbene Klempnermeister Franke angefertigt und dann nach Hineinlegen mehrere Geldsorten u. mehrerer Zeitungen, namentlich Exemplare des Göttingenschen Wochenblatts und des Wochenblatts der Stadt Northeim, verlötet hat.
  2. Die Einmauerung hat der verstorbene Maurermeister Senne zu Moringen vorgenommen in Gegenwart des Herrn v. Helmolt, des Herrn Götz von Olenhusen, des Herrn Klempnermeisters Franke, sämmtlich aus Moringen, meines Vaters, Rektor Dr. Ehrichs, daselbst, des Instrumentenfabrikanten Rittmüller aus Göttingen und des Unterzeichneten. Es wurde dabei von Herrn Rittmüller - eines Freundes des Herrn v. Helmolt - ein Gebet gesprochen, wobei alle Anwesenden das Haupt entblößt hatten.
  3. Verfasser der Urkunde ist Herr v. Helmolt, Advokat und Notar zu Moringen.
  4. Die Reinschrift ist in Frakturschrift von mir angefertigt unter dem auch von den Unterzeichneten abgegebenen feierlichen Versprechen, vor Ablauf von 50 Jahren niemanden von dem Inhalt der Urkunde Kenntnis zu geben. Dieses Versprechen ist von mir und soviel ich weiß, auch von allen Unterzeichnern der Urkunde gehalten worden.

Jetzt, in meinem hohen Alter, nehme ich Veranlassung, den Inhalt der Urkunde der Öffentlichkeit mitzuteilen, auch ein Exemplar dem Wohllöblichen Magistrate zu Moringen, meiner lieben Vaterstadt, und der Redaktion der Moringer Zeitung zu übersenden.

Hochachtungsvoll und ergebenst

Emil Ehrichs, Rentner


Überarbeitung:

Powered by CMSimple| Template: ge-webdesign.de| html| css| Login