Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Das Oberdorfer Mühlengut

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 23. 07. 66
Das Oberdorfer Mühlengut
Ein wechselvolles Schicksal - Blick in die Moringer Geschichte

Moringen - In seinen geschichtlichen Aufzeichnungen nennt Dr. Niels Krack den ehemaligen herrschaftlichen Gutshof im Oberdorf, zu dem eine Mühle gehörte, das "Mühlengut". Er ist der Geschichte auch dieses Gutes nachgegangen und hat sein Schicksal niedergeschrieben.

Von diesem alten herrschaftlichen Gutshof steht heute noch das Herrenhaus, nämlich das schöne Fachwerkhaus Nr. 11 an der Münchhausenstraße. Es ist mehrfach umgebaut, 1913 im alten Stil ganz erneuert, In den letzten Jahrzehnten wohnten in ihm Landarbeiter des Rittergutes; heute ist es ein städtisches Mehrfamilien-Wohnhaus.

Das alte Gut scheint sich aus zwei verschiedenen Anlagen entwickelt zu haben: einmal aus der im Oberdorf gelegenen und im Laufe der Zeit zu Besitz gekommenen Mühle (an der heutigen Mühlenstraße), zum anderen aus der Siedlung Sevensen, Die Mühle war vermutlich zusammen mit dem Dorf selbst gegründet, ein Besitz des Edelings. Die von den Edelherren eingesetzten Müller werden mit der Zeit Freiheit und Rechte gewonnen und auch Landbesitz vom adeligen Hofe erworben haben, so auch die Grundstücke westlich des Herbstschen Hofes bis zur heutigen Mühlenstraße. (Das Herrenhaus Herbst an der Münchhausenstraße, zuletzt zum Rittergut gehörend, ist in den letzten Kriegsjahren abgebrochen). In dem vor der Feußel-Mühle liegenden Garten befand sich Jahrhunderte hindurch ein Teich, der in wasserarmen Jahren als Energiereservoir diente. Noch 1750 findet sich dieser Teich in einer Karte eingezeichnet.

Mühle und Grundstücke gelangten, sei es durch Kauf, sei es durch Heirat, in den Besitz der Familie von Kerstlingerode, als diese in den unruhigen Jahren des 12. Jahrhunderts ihre Gutssiedlung Sevensen nach Oberdorf Moringen verlegte. Die Wüstung Sevensen liegt in der Nähe von Lutterbeck vor der Ahlsburg, die Mühle dort ist bis heute erhalten. Von den Besitzern des Gutes im Oberdorf werden genannt: im Jahre 1275 Diederich von Kerstlingerode und im Jahre 1341 Thielo von Kerstlingerode. Beide machten Schenkungen an das Kloster Fredelsloh. Im Jahre 1464 kämpfte Ritter Heise von Kerstlingerode mit den Einbeckern gegen Herzog Heinrich von Grubenhagen. 1595 werden von Kerstlingerode Lehngüter im Oberdorf erwähnt. Schließlich wird noch Otto Christoph von Kerstlingerode genannt, mit dem 1641 die Familie erlosch.

Noch zu Lebzeiten Christophs von Kerstlingerode kam das Gut an die Familie Mellin, die aber übergroßer Schulden wegen etwa 1631 die Bewirtschaftung des Gutes auf Befehl des Fürstl. Kanzlers und der Räte an den Apotheker Johann Halbscheidt in Moringen abgeben mußte. Dieser verkaufte 1640 das nun wenig ertragreiche Gut, das bereits die Rittereigenschaft verloren hatte, an den Kriegsrat Jacob Arend Pape, der zusammen mit M. Andreas Ebbrecht Vormund der Mellingschen Erben war. Pape bemühte sich 1640 vergeblich, dem Gut die Rittereigenschaft zurückzugewinnen. Da ihm das nicht gelang, verkaufte er das Haus mit Mühle vermutlich 1661 an Johannes Laubinger aus Höckelheim, der mit der Enkelin Halbscheidts, Catharine Jungmann, verheiratet war.

Ganz genau läßt sich das Jahr der Übernahme des Mühlengutes durch Johannes Laubinger nicht ermitteln. Der neue Besitzer war landgräflich hessischer Amtmann auf dem Klostergut Höckelheim; er war etwa 1620 geboren und heiratete am 10.10.1649 in der Stadtkirche zu Moringen die Jungfrau Catherine Jungmann aus Obergeismar. Von diesem Ehepaar stammt das Wappen am alten Gutshaus, das noch heute gut erkennbar ist. Der Stein enthält zwei Wappen und die Beschriftung: Johann von Laubinger und „C J“ (Catherine Jungmann). Das Laubingersche Wappen zeigt ein stilistisches Blatt = Laub, das Jungmannsche Wappen drei Sterne und Adlerflug auf dem Helm. Beide Familien waren aber bürgerlich, das Adelsprädikat "von" hatten sie sich nur zugelegt, vielleicht weil sie dachten, auf dem neuerworbenen ritterlichen Hof ein neues Geschlecht zu gründen. Interessant ist wieder die Beziehung zur Mühle: Der Vater des neuen Mühlenbesitzers war ein bedeutsamer Mühlenbeamter in Eschwege.

Im Jahre 1754 verkauften die Laubingers das Gut an den Lizenzeinnehmer Klaus. Die ehemaligen adeligen Freiheiten und vermutlich auch Teile des Grundbesitzes waren in der Zwischenzeit verlorengegangen, es ist unbekannt, wann und wie. Schon 1757 wechselte das Gut erneut den Besitzer, zugleich wurde es zerstückelt. Den Rest kaufte der Landdrost Börries v. Münchhausen und fügte sie seinem übrigen Moringer Landbesitz zu.

Das Gutshaus, die Mühle und der Garten gingen in bürgerlichen und häufig wechselnden Besitz über, sie scheinen nicht mehr lukrativ gewesen zu sein. Die Besitzer waren nacheinander Hilmer, Volksen, von Götz, Sprenger und Ehlers. Letzterer verkaufte die Mühle an Rannenberg und das Gutshaus an König, von dem es 1882 v. Münchhausen als Tagelöhnerhaus erwarb. Nach der Aufteilung des Rittergutes Münchhausen kam das Haus in den Besitz der Stadt Moringen.

Die Mühle wurde etwa um 1900 von Wilhelm Feußel aus Schnedinghausen erworben, dessen Nachfolger sein Sohn Adolf war. Dieser kam im November 1947 in den Nachkriegswirren ums Leben. Seine Witwe trat 1952 das seit alten Zeiten zur Mühle gehörende Wasserrecht an die Stadt Moringen ab. Die alte Mühle hatte aufgehört zu bestehen.


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