Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Das "Junkernhaus"

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 02. 07. 66:
Das "Junkernhaus" in der Mannenstraße
Ein Blick in die Geschichte eines Moringer Guts- und Arzthauses

M o r i n g e n - Das Haus Wolter-Peeksen, Mannenstraße 28, wurde früher "Junkernhaus" genannt. Es lohnt sich, einmal seine wechselvolle Geschichte zu betrachten. Bevor dieses Haus nach dem großen Brande von 1734 erbaut wurde, stand etwa an seiner Stelle das Herrenhaus des Gutes am Deichwall.

Jenes Gut hatte in frühen Zeiten dem Bistum Paderborn gehört, später den Herren von Rosdorf. Nach 1739 kam es durch Kauf in den Besitz des Landesherrn. Das Gutshaus wurde dann innerhalb der Stadtmauern erbaut; es fiel dem großen Schadenfeuer zum Opfer. In jener Zeit war die Familie von Mandelsloh Besitzerin des Gutes. Das neue Gutshaus, das "Junkernhaus", dürfte wohl bald nach dem Brande von 1734 gebaut sein, vielleicht auf den alten Grundmauern und unter Verwendung der alten Baumotive. Vermutlich im Jahre 1821 wurde es umgebaut und erweitert.

Die Familie von Mandelsloh verkaufte 1764 Gut und Haus an die Familie von Grapendorf, von ihr kaufte es 1786 der Oberforstmeister Beaulieu-Manomay. Die Familie Meyer, aus Northeim stammend, hatte in Moringen durch Landaufkäufe ein weiteres Gut in der Stadt gegründet. Es war Carl Meyer (14.4.1791 bis 15.6.1860), der es mit viel Fleiß und kaufmännischem Geschick in Moringen zu Wohlstand brachte, nachdem Vater und Großvater mit wechselndem Glück hier als Gast - und Landwirte tätig waren. Carl Meyer kaufte 1833 auch das Gut am Deichwall, 280 Morgen für 7000 Taler, und erwarb dazu das Junkernhaus in der Mannenstraße. Er bestimmte das Gutshaus als eine Art Zufluchtsstätte und Altersheim für Angehörige der Familie Meyer, die in Not geraten waren oder mit dem Leben nicht fertig wurden.

Zuerst übernahm das Haus sein Bruder, der pensionierte Major Gustav Meyer, und bewohnte es mit seiner Haushälterin. Er soll eine originelle, in Moringen bekannte und beliebte Persönlichkeit gewesen sein, von dem noch manche Anekdoten erzählt werden. Nach seinem Tode (1857) fiel das Haus an seinen Bruder Carl zurück. Nun wurde es von dem Justizsekretär Krull und seiner spanischen Frau bezogen. Später siedelte Krull in das Sekretärshaus an der Amtsfreiheit über.

Ins Junkernhaus zog Bürgermeister von Hinüber: wahrscheinlich war dort in jener Zeit vorübergehend auch das Standesamt. Wohnungsnachfolger war dann Bahnhofsinspektor Vietmeyer, ein Schwager des "Ritter Meyer". Der Sohn Julius (1835 bis 1914) hatte nämlich 1870 den Rittergutstitel und die Landtagsstimme vom aufgelösten Gut in Üssinghausen erworben und seinen Besitz zum Rittergut erhoben.

Unter Mißachtung der einstigen väterlichen Verfügung über das Junkernhaus verkaufte es Julius Meyer 1892 an den praktizierenden Arzt Dr. Schrader, der es 1908 an Dr. med. Wolter-Peeksen weiterverkaufte. 47 Jahre lang hat dann Dr. Wolter-Peeksen als tüchtiger und beliebter Arzt *) im Junkernhaus praktiziert. Nach seinem Tode 1955 übte Frau Dr. med. Schulze eine Reihe von Jahren - bis zu ihrem Neubau an der Bleichestraße - ihre Praxis dort aus; sie war die erste praktizierende Ärztin in Moringen.

Das Junkernhaus mit dem schönen Garten dahinter, an den Resten der alten Stadtmauer, wird von seiner Besitzerin, der Arztwitwe Frau Maria Wolter-Peeksen, liebend betreut. Hoch ragt der wuchtige Kastanienbaum über das Dach und gehört mit seinen Blütenkerzen im Frühling, mit seiner dunkelgrünen Krone im Sommer und dem bunten Laub im Herbst für unsere Generation zu dem Bild des alten Guts- und Arzthauses.

(Nach Aufzeichnungen von Dr. Niels Krack)


*) Anmerkung Hans Hesse: Es fehlt der Hinweis in dem Artikel (aus dem Jahre 1966), dass Dr. Wolter-Peeksen auch (ich zitiere) "der Mitbegründer der NSDAP-Ortsgruppe, Vorsitzenden des Rassenpolitischen Kreisamtes, der KZ-Arzt der Moringer Lager und SS-Mitglied war. Schon in den 30er Jahren buhlte er um das „Goldene Parteiabzeichen“, das ihn als „Alten Kämpfer“ ausgewiesen hätte."

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