Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Von einem Rathaus, das nur noch im Bild existiert

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 18.02.67:
Von einem Rathaus, das nur noch im Bild existiert
Aus der Raritätenkiste:

M o r i n g e n - Das "Alte Rathaus" ist jedem Moringer ein Begriff und ja auch etwas des wenigen Historischen, das wir im Stadtbild aufzuweisen haben. Bis 1868 wurde hier die Stadt verwaltet, dann zog die Stadtverwaltung in das neu erbaute Schulgebäude am Einbecker Tor. Dieses Gebäude hat die Stadtverwaltung 1890 wieder verlassen, als Moringen und Oberdorf vereinigt wurden und für die Oberdorfer Schulkinder Platz gemacht werden mußte. Zu diesem Zeitpunkt also zog die Stadtverwaltung in das Haus der ehemaligen Mädchenschule and der Kirche. Hier hat sie in dem dadurch zum Rathaus gewordenen Fachwerkhaus, das wohl 1785 erbaut war, 30 Jahre lang eben ihres Amtes gewaltet, bis sie wieder umzog in das aus der alten Post umgebaute Sparkassengebäude.

Dieses alte Rathaus, um das es uns heute geht, ist schon vor Jahrzehnten von der Bildfläche verschwunden. Es ist mit und nach seinen Nachbarhäusern im Juni 1934 abgebrochen, im Wege der Selbsthilfe, wie es damals hieß. Mancher Moringer Bürger wird sich noch seiner dabei geleisteten Mithilfe erinnern. Aber in unserer Raritätenkiste fanden wir noch ein Bild von diesem Rathaus, eine Aufnahme aus dem Jahre 1899, das noch manche andere Erinnerung aus jener Zeit wachruft. Es sind auch noch etliche alte Rechnungen von anno dazumal vorhanden, die ein Stück dieser Rathausgeschichte erzählen.

Im Juni 1891 bekam das Rathaus einen Blitzableiter. Er wurde von der Firma Rudolf Siemens, Hannover, Electrotechnisches Geschäft, Königsstraße 3, neben dem Tivoli, geliefert. Die Anlage kostete mit Eisenstangen, Kupferplatten, Montage und Reiseunkostenbeitrag 156,- Mark, die dem "hochlöblichen Magistrat der Stadt Moringen" in Rechnung gestellt wurden. Der Firma wurden jedoch 20 Pfennig abgezogen, "als Strafporto für ungenügende Frankatur des Schreibens vom 1. Juni cr.", wie es heißt, und nur 155,80 Mark zur Zahlung angewiesen. 1,10 Mark kostete noch die Fracht von Hannover und 30 Pfennig das Rollgeld, das Chr. Nolte am 20. Mai 1891 in der Cämmereikasse kassierte. Der Stempel auf dem Frachtbrief lautete übrigens noch "Königliche Eisenbahn-Direction Hannover", die damit versehenen Frachtbriefe mußten wohl noch aufgebraucht werden, sparsam, wie man zu wirtschaften gewohnt war.

Ein Rathaus hat eben Unkosten, und ach, wieviel Schreiberei erfordern auch die nebensächlichsten Dinge, soll es korrekt zugehen. 7,50 Mark für die „Roulous in der Schreiberstube“ waren am 16. Mai 1891 viel Geld. Der eichene Abortkasten, den ein Moringer Tischlermeister für das Rathaus lieferte, kostete 6,50 Mark. Es wurde im Jahr nach dem Einzug anscheinend immer noch etwas umgebaut, denn die Frau des Nachtwächters bekam „für 3 Tage Scheuern beim Bau im Rathause“ 3 Mark. Der Maler zwar nahm für "Zwei Gewisse orte tapeziert" nur 1 Mark und besserte Tapeten in drei Rathauszimmern für 50 Pfennig aus, die "Hauptthür" zu streichen kostete aber schon 4 Mark. Kleine Hilfeleistungen wurden ständig benötigt und gingen zu Lasten der Kämmereikasse: "Fortbringen der großen Holzfinne vom Hofe nach dem Stallboden wegen des Regens - 50 Pfg. 5mal Schutt, Asche und Kehricht fortbringen nach der Manne - a 25 Pfg. 3mal den Abort der Magistratsherren fortschaffen - 75 Pfg."

Es wurde also damals noch alles an der Manne ausgekippt, an der Stelle unseres heutigen Stadtparkes, und jeder Reisende mußte auf dem Bahnhofsweg daran vorbei. So die guten alten Zeiten im guten alten Rathaus, ohne WC, ohne Zentralheizung, ohne Blumenschmuck an den Fenstern, ohne schöne Fußbodenbeläge. Wen wundert's, daß das eines Tages verschwinden mußte. Aber weshalb sich nicht noch einmal wieder daran erinnern?

 


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