Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Professor Heinrich Sohnrey

Professor Heinrich Sohnrey und sein Wirken im Moringer Raum

Diese Seite entstand unter Verwendung des gleichnamigen Kapitels der Moringer Chronik von 1983.

Bedeutende deutsche Lexika unserer Zeit führen Heinrich Sohnrey als bekannten Heimatdichter, Sozial-politiker und Volkstumsforscher an der Schwelle unseres Jahrhunderts an. Schon früh empfing er für seine Arbeiten den Professorentitel und sonstige hohe Auszeichnungen. Zeit seines Lebens jedoch hielt er engste Verbindungen mit dem engeren Moringer Raum.

Heinrich Sohnrey wurde am 19.6.1859 in Jühnde geboren, wo er in damals sogenannten "Kleine Leuteverhältnissen" aufwuchs.

Nach Besuch der dortigen Schule, die ihm für seinen Lebensweg nicht viel mitzugeben vermochte, besuchte er nach seiner Konfirmation die Präparandenanstalt in Ahlden an der Aller und anschließend von 1876 - 1879 das Lehrerseminar der Provinzhauptstadt Hannover. Die Großstadt beeindruckte ihn zwar, konnte jedoch seinem Gemüt wenig geben und so wünschte er bei Ausbildungsabschluß "in ein weitentferntes, in Berg und Tal gebettetes ... mittel-großes Ackerdorf ..." zu kommen. So erhielt Sohnrey, kaum 20 Jahre alt, als erste Stelle 1879 als Lehrer eine Anstellung in der heute in die Stadt Moringen eingemeindeten Weperortschaft Nienhagen.

Hier, im engsten Kontakt mit einer knorrigen und doch liebenswerten Dorfbe-völkerung, wurde sein weiterer Lebensweg geprägt. In Nienhagen wurde er zum Schriftsteller und Dichter und in diesem Weperdorf, wo er noch urwüchsiges Volkstum vorfand, welches ihn zum Forschen anregte, wurde in ihm der Volks-kundler geboren.

Da er zunächst noch unverheiratet war, führte seine Mutter ihm den Haushalt. Beider Leben war karg. Sein Anfangsgehalt war nur klein, es betrug im Jahr 600 Mark Bargeld, als Deputat 14 Zentner Brotroggen und etwas über 30 Mark Pacht, welche er aus der zur Lehrerstelle gehörenden Dienstländerei einnahm. Als Lehrer versorgte er auch das Küsteramt an der nur wenige Meter neben dem neuen Schulhaus liegenden Kapelle mit. Da diese eine Filialkapelle der Moringer Kirche war, kam er rasch mit der Moringer Einwohnerschaft in Kontakt, da häufige Wege zur Moringer Pfarre ihn nach hier führten. Der Kirchdienst in der Kapelle verlangte allsonntägliche Predigtvorlesung und Katechese.

Neben seinem Schuldienst widmete sich Sohnrey mit Vorliebe der Volkskunde. Von seinem ersten Tag an in Nienhagen bemühte er sich, das Leben und die Wesensart der ruhigen und unter der Last der Alltagsarbeit schweigsamen Dorfbevölkerung durch ständiges Beobachten und Mit- empfinden zu verstehen. Um ihr Vertrauen und ihre Freundschaft zu gewinnen, legte er seine ganze Kraft darein, zu seinem ersten Weihnachtsfest in Nienhagen der Bevölkerung in der kleinen Kapelle ein besonders schönes, schlichtes und doch ergrei-fendes Weihnachtsfest zu bereiten. Denn da der Moringer Pastor ja gleichzeitig in Moringen gebunden war, musste der Lehrer in Nienhagen dafür einspringen. Sein Stamm-quartier hatte er bei dem Landwirt Christian Ahlborn, der so schön berichten konnte. Sohnrey schrieb sich sofort alles auf. So bildeten sich die ersten Freund-schaften, die über ein ganzes Leben anhalten sollten.

Ganz besonders waren es einige Familien, die ihm über Nienhagens Vergangenheit und über die dortigen alten Bräuche eingehend berichteten und mit denen ihn Zeit seines Lebens eine dauerhafte Freundschaft verband. Bereits nach wenigen Jahren heiratete er seine frühere Schülerin Luise Schoppe, welche einem alten Nienhäger Bauerngeschlecht entstammte.

In der Neujahrsnacht 1879/80 gründete Sohnrey den Männer-Gesangverein Nienhagen: In dieser Nacht brachte ihm die Dorfjugend ein Ständchen. Es waren prächtige und starke Stimmen dabei, die ihn sofort an die Gründung eines Gesangvereins denken ließen, der dann noch in dieser Nacht mit Hilfe einer Kanne Branntwein gegründet wurde. Oft kamen im Frühjahr und Sommer die Männer- chöre von Fredelsloh, Espol und Nienhagen im Oldenröder Wald zusammen, um in der freien Natur Volkslieder vierstimmig zu singen. Noch im Jahre 1880 gründete er - richtungsweisend für die Umgebung - eine Volksbibliothek, die von der Einwohnerschaft Nienhagens eifrig benutzt wurde.

Während seiner Tätigkeit in Nienhagen hat Sohnrey dort allen Verstorbenen die Leichenrede gehalten. Vom jeweiligen Trauerhause aus wurden die Eingesargten in Begleitung des Lehrers von den Schulkindern zum Bergfriedhof "hinaufgesungen".

Von Nienhagen aus sammelte er Sprichwörter, volkstümliche Redensarten und Sagen im weiteren Moringer Raum. Bereits 1882 veröffentlichte er im "Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung" eine kleine Sammlung "Ale Märeken von der Weper". Zusammen mit seinem Freund vom Lehrerseminar her, Fritz Kassebeer, veröffentlichte er schulgemäße Ausgaben des deutschen Sagenschatzes. In Nienhagen vollendete er 1886 auch seinen Roman "Hütte und Schloß", in welchem schon sein Programm der ländlichen Wohlfahrtpflege anklingt. Auch nutzte er seine Nienhagener Zeit zur eigenen Weiterbildung, indem er bei dem Moringer Pastor Mensing Privatunterricht zur Vertiefung seiner fremdsprachlichen Kenntnisse nahm. Bereits in Nienhagen begann Sohnrey mit der Stoffsammlung zu seinen, zu den bedeutendsten Werken unserer Heimat- und Volkstumsforschung zählenden, Büchern "Die Sollinger" (veröffentl. 1924) und "Tschiff, tschaff, toho" (veröffentl. 1929).

Immer mehr wurde ihm in Nienhagen sein Lebensziel bewusst, ein Volksschriftsteller und Kulturbahnbrecher für das vernachlässigte Landvolk zu werden. Um dieses Ziel durchzusetzen, bedurfte es eines Universi-tätsstudiums. Deshalb ließ sich Sohnrey 1886 vom Schuldienst beurlauben und studierte eine Zeit lang an der Universität Göttingen Sprach- und Literaturwissenschaften. Wegen ein- tretender wirtschaftlicher Schwierig-keiten baten Mutter und Frau ihn, den Schuldienst wieder aufzunehmen. Daher ging er 1887 nach Möllensen am Hildesheimer Wald, wo er bis 1888/89 nochmals eine Lehrerstelle annahm, um aber bereits 1889 endgültig mit dem Schuldienst zu brechen.

Durch Vermittlung seines o. g. Freundes Fritz Kassebeer und dessen damals an der Northeimer "Göttingen-Grubenhagener Zeitung" als Redakteur tätigen Bruders W. F. Kassebeer (dem Begründer der späteren dortigen Buchdruckerei), erhielt er eine Stelle als Redaktionsassistent bei "Vater Röhrs", dem Besitzer dieser Zeitung, in welchem er einen väterlichen Freund und Berater fand. In dieser Northeimer Zeit vertiefte er seine Kontakte mit der Moringer Bevölkerung. Da Northeim nicht die richtige Grundlage für sein geplantes Schaffen bot, folgte er seinem als Lehrer nach Hildesheim versetzten Freund Fritz Kassebeer nach dort, wo er den "Hildesheimer Sonntagsboten" gründete und herausgab.

Als dieser später mit dem "Hanno-verschen Sonntagsboten" fusioniert wurde, ging Sohnrey im März 1890 als Redakteur an die bedeutende "Freiburger Zeitung", von wo aus sich ein weiterer Aufstieg an die "Tägliche Rundschau" in Berlin eröffnete. Vierzig Jahre lang hat er dann in Berlin unermüdlich als nieder-sächsischer Heimatdichter gewirkt. In seinen Urlaubstagen oder zu besonderen Anlässen, z, B. zum Jubiläum des von ihm gegründeten Männerge-sangvereins Nienhagen, kam er oftmals noch in den Moringer Raum, wo sich nun eine langandauernde Freundschaft mit dem am 1.6.1897 nach Moringen versetzten Moringer Poststellenleiter und Postmeister Otto Breunig entwickelte. Zum 50-j.Jubiläum der Moringer Zeitung schrieb er eigenhändig einen Jubiläumsartikel.

In Berlin gründete Sohnrey einen eigenen Verlag, die deutsche Landbuchhandlung, in dem sein vielseitiges Schrifttum erschien. Aus Raumgründen ist es hier unmöglich, auch nur eine chronologische Aufzeichnung von Sohnreys vielfachen Veroffentlichungen zu bringen. In seinem Alterswerk "Zwischen Korn und Dorn" berührt Sohnrey noch einmal den hiesigen Raum, indem er in dem Kapitel "Wie ich Ehrenbauer von Fredelsloh wurde" beschreibt, wie es ihm in Fredelsloh gelang, den Landhunger der Kleinbauern durch Aufteilung des Klostergutes zu mildern.

Wegen seiner Verdienste als Volkskundler und Sozialreformer erfuhr er öffentliche Anerkennung:

1907 wurde ihm vom preuß. Kultusministerium der Professorentitel zuerkannt,

1919 verliehen ihm die Universitäten Königsberg und Tübingen den
Doktorgrad h. c.,

1934 ernannte ihn die Universität Göttingen zum Ehrenbürger.

Nach dem II.Weltkrieg kehrte Sohnrey in seinen geliebten Sollingraum als Flüchtling zurück und verstarb am 26.1.1948 in Neuhaus, fand jedoch seine endgültige Ruhestätte in seinem Heimatort Jühnde.
Wenn ich gestorben bin

Wenn ich gestorben bin,
stellt mir frische Rosen hin
und zieht die Wanduhr auf,
nichts stock' in seinem Lauf.

Denkt, wenn heller Junitag,
wie gern ich hört den Wachtelschlag,
wie froh ich durch die Felder ging,
wenn überm Pfad der Roggen hing.

Begrabet mich am Bergeshang
bei hellem, vollen Glockenklang ---
und wenn es friert und wenn es schneit,
mich friert nicht mehr in Ewigkeit.

In Moringen erinnern die Sohnrey-Warte auf dem höchsten Weperpunkt, dem Balos, und die Sohnrey-Straße an diesen bedeutsamen Mann.


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