Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Wollspinnerei in der Thuten-Mühle

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 23. 09. 67:
Wollspinnerei in der Thuten-Mühle
Als Beiderwand noch geschätzt war - Idyll am Moringer Hagenberg

Die Thuten-Mühle am Hagenberg vor dem 1. Weltkrieg

M o r i n g e n - Die letzte Mühle, die die Moore mit dem von ihr aufgenommenen Mühlenwasser auf ihrem Lauf durch Moringer Gebiet trieb, war die "Neue Mühle" am Hagenberg. Den Namen hatte ihr der Besitzer Heinrich Thute gegeben; in der Bevölkerung wurde sie allgemein aber "Thuten-Mühle" genannt. Die Mühle wird gar nicht neu gewesen sein, als der von Üssinghausen kommende junge Spinnereifachmann und seine aus Sebexen stammende Frau das einsam gelegene Grundstück etwa 1877 bezogen. Vielleicht hat sie einmal zum Domänenbesitz gehört, das bleibt noch weiteren Nachforschungen vorbehalten. Jedenfalls richtete das Ehepaar Thute dort eine Wollspinnerei ein.

Das vorhandene alte und schmale Mühlenrad wurde durch ein neues, großes und kräftiges ersetzt, das der alten Moringern noch bekannte Mühlenbauer Artur Gerschel anfertigte. Der Antrieb für die Maschinen war nun stärker und entsprach den Anforderungen. Die Schafzucht blühte damals, auch Flachs wurde noch angebaut. Die Bauern, nicht nur aus Moringen, sondern aus der ganzen Umgebung, sogar von Lauenberg her, kamen mit ihren Kämmlingen, auch mit alten Wollstrümpfen, zur Thuten-Mühle. Das Marerial wurde maschinell im "Wolf" zerrissen und in der Schlagmaschine zu einer Art Watteschicht verarbeitet. Im "Krempel" wurde die Schicht zu Fäden zerteilt und die Fäden auf der Spinnmaschine gedreht. Wollgarn zu Strümpfen bedurfte einer besonderen Behandlung. - In der Spinnerei waren stets einige Moringer beschäftigt, viele Jahre August Voges.

Von dem Garn wurde Beiderwand gewebt und das Weben in Lohnarbeit vergeben. Damals standen noch in vielen Häusern Webstühle. Auch ein Weber Müller aus Sebexen arbeitete für die Spinnerei Thute und kam zu Fuß aus dem noch hinter Kalefeld liegenden Dorf, um Beiderwand abzuliefern und neues Garn zu holen. Der Beiderwand wurde in der Thuten-Mühle nun noch bearbeitet. Der Stoff wurde gewalkt, gewaschen, gespannt und gerauht. Dabei half die ganze Unternehmerfamilie, auch die Kinder wurden schon angestellt. Beiderwandstoff wurde früher auf dem Lande viel getragen, er war derb und unverwüstlich. Den Mädchen und Frauen wurden daraus Kleider genäht, den Jungen Anzüge, die "trugen sich immer wieder von selbst blank", wie man sagte.

Wie schon erwähnt, war die Thuten-Mühle die letzte am Moorelauf, was auch Nachteile hatte, nämlich des Stauwehres wegen, durch das oftmals kleine Katastrophen entstanden. Bei starken Gewitterregen oder Unwettern geschah es, dass die oberhalb gelegenen Mühlen an ihrem Wehr die "Schütte" (fachmännisch hochdeutsch "Schütze") hochzogen und dass das Wasser auf die Spinnerei zuströmte. War dort durch irgendwelche Umstände das Schütt nicht rechtzeitig hochgezogen, gab es Überschwemmungen auf dem Grundstück der Spinnerei, das Wasser drang dann auch in die Maschinenräume ein. Die Feuerwehr musste dann zu Hilfe gerufen werden. - Die Arbeit in der "Neuen Mühle" war hart und erforderte von dem Unternehmer selbst viele Nachtstunden.


Das Leben am Rande des Hagenberges war für die kinderreiche Familie im allgemeinen aber ein Idyll. 1884 baute Vater Thute das jetzige Wohnhaus, das alte, vorhandene war zu klein geworden. Auf dem damals angrenzenden Teich, in dem der Domänenpächter Karpfen züchtete, wurde mangels eines Bootes in einem Abbrenntrog Kahn gefahren. Im Winter lief man auf dem Teich Schlittschuh, gern romantisch bei Mondschein; Freundinnen und Freunde weilten gern in der gastlichen Familie. Der Wald, der unmittelbar gegenüber begann, war ein unvergleichliches Spielfeld. Viele herrliche Sommer bilden schöne Erinnerungen in den Herzen derer, die dort aufwuchsen und den weiten Schulweg gewohnt waren.


Am alten Wehr der Thuten-Mühle (eine Aufnahme aus dem Jahre 1947)


Die älteren Söhne des Spinnereibesitzers waren in die Welt, teils nach Übersee, ausgewandert. Vater Thute verkaufte die "Neue Mühle", in der im November 1919 die Wollspinnerei Klie eröffnet wurde. Am 12. Januar 1929 brach dort ein Großfeuer aus, das die Fabrikräume vernichtete und auch das Wohnhaus in Mitleidenschaft zog. Klies verließen das Grundstück; einige Jahre lag es verödet. 1932 erwarb es Heinrich Grefe aus Lutterhausen als Wohnsitz. 1938 wurde das Mühlenrad abmontiert. Heute wird das Grundstück, das postalisch unter Außenbezirk 8 geführt wird, von Landwirt Friedel Schraps genutzt.


Was heute als vergangene Romantik erscheint, war damals noch harte und mühevolle Arbeit, allerdings umrahmt von der schönen Natur, die die Bewohner der "Neuen Mühle" liebten und zu genießen verstanden. Die Zeit ging über alles hinweg und ließ nur Erinnerungen an die Jahrzehnte, als sich das große Wasserrad an der Spinnerei am Hagenberg drehte.


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