Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Was ein Besucher 1832 in Moringen sah

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 10. 02. 68

Was ein Besucher 1832 in Moringen sah
Noch ein Reisebericht - Im Auf und Ab der Jahrzehnte

Moringen • Auf unserem alten Bild zeigt sich die Kirchstraße, wie sie sich wohl um die Jahrhundertwende darbot. Links das Haus Schaberg mit dem Firmenschild des Malermeisters, daneben das Haus des Schneidermeisters Rakebrandt mit dem Schaufenster für die Herrenmoden, gegenüber noch das alte „Spritzenhaus“. Der Blick geht auf das Haus Laves in der Mannenstraße, das sich nach fast einem dreiviertel Jahrhundert doch sehr verändert hat.

Wie schon wenige Jahrzehnte den Eindruck eines Ortes wandeln können, zeigt wieder ein Reisebericht, ähnlich dem, den wir hier kürzlich aus dem Jahre 1794 veröffentlichten. Etwa 40 Jahr später, 1832, hat wieder einmal ein Besucher seine Eindrücke von Moringen niedergeschrieben. Der unbekannte Gast berichtet ebenfalls von den vielen Mühlen, die wohl jeden Besucher erstaunten. Er erwähnt auch den Speckenbrunnen, den er "am Fuße des Weperberges" gesehen hat. Er schreibt weiter, dass die Stadt "ganz offen" ist und drei Tore hat, das Mannen-, das Einbecker und das Neue Tor. Es werden 143 Reihenhäuser und 17 öffentliche Gebäude genannt. Die Zahl der Einwohner wird mit 1570 angegeben, während 1794 von 1300, einschließlich einer Kompanie Infanteristen, die Rede ist.

Lassen wir den Reisenden von 1832 selbst zu Worte kommen: "Die Einwohner von Moringen leben größtenteils von der Landwirtschaft, auch wird Kornhandel nach Osterode getrieben. In den letzten Jahren haben die Brauerei und die städtischen Gewerbe, die 10 Gilden bilden, zugenommen. Die neuen Bauten, welche hier nach der Vereinigung der Ämter Moringen und Hardegsen nötig waren, ferner die Umwandlung des Waisenhauses in eine Strafanstalt haben die städtischen Gewerbe belebt und den niederen Klassen zu verdienen gegeben. Die Schafzucht hat gewonnen durch den Anbau von Futterkräutern an mehreren Stellen des nahen Weperberges, welche sonst brach lagen. Auf Unkosten der Stadt und der benachbarten Gegend ist von Northeim nach Uslar eine Chaussee gezogen, die den Transport der Eisensteine und die Verbindung mit den benachbarten Städten erleichtert.

1797 fand die Umwandlung des Moringer Waisenhauses in eine Versorgungsanstalt der Waisen durch Kontakte mit Privatfamilien statt. Vorzugsweise wurden die Kinder auf dem Lande bei rechtlichen Leuten erzogen, und die Prediger führten die Aufsicht. 1819 wurde das Gebäude durch einen Kostenaufwand von 10 000 Reichsthalern in ein Zuchthaus für 140 Sträflinge eingerichtet, die hier zum Fleiß, besonders zum Spinnen angehalten werden.

Moringen ist der Sitz des vereinigten Amtes Moringen-Hardegsen, welches auch das Klosteramt Fredelsloh umfaßt. Das Amtshaus ist mit der Zeit aus einer alten fürstlichen Burg entstanden, von deren Gebäuden noch jetzt das große Brauhaus übrig ist. Es wohnen daselbst vier Beamte, ein Auditor, die Rentei besorgt ein Rentmeister. Die Pacht ist getrennt. In der Stadt befinden sich eine Postspedition, eine königliche Eisenfaktorei und eine Faktorei der Sollinger Eisenhütte. Angesetzt sind in Moringen ein Landphysikus und ein Zuchthausarzt; es praktizieren dort vier Advokaten.

Der Magistrat besteht aus einem Bürgermeister, einem Senator, einem Kämmerer. Er verwaltet die Hoheitssachen und übt die bürgerliche Gerichtsbarkeit über die Stadt, deren Feldmark und Forsten. Nach dem Wahlreglement von 1790 konkurrierte zu der Bürgermeisterwahl das Gilden-Collegium von 12 Personen, die mit dem Rhate der Regierung 3 Subjekte zur Auswahl vorschlagen. Zu einer Senatorstelle präsentiert der Magistrat der Regierung zwei Subjekte. Die alte Stadtkirche ist wegen Baufälligkeit abgebrochen und wird von 1830 an neu aufgebaut. Bis zur Vollendung wird der Gottesdienst in der alten Martinikirche gehalten, die bis dahin nur zu Leichenpredigten benutzt und zu jenem Zweck ausgebaut wurde. An der Stadtkirche stehen zwei Prediger. Für die Armen ist ein Hospital St. Spiritus vorhanden.“

Soweit dieser bunte Bericht. Der Besucher hat sich also für alle möglichen Dinge interessiert und ist nicht nur ein harmlos genießender Reisender gewesen. Unsere jugendlichen Leser werden vermuten: vielleicht mußte er eine Jahresarbeit schreiben. - Ganz allgemein aber sah er schon ganz andere Dinge als der Reisende von 1794. Das Waisenhaus war umgewandelt, die Stadtkirche abgebrochen, eine neue Landstraße war gebaut, Handel und Wandel hatten sich gehoben. - Aber vier Advokaten geben zu denken! - Wellenartig ist es also in Moringen hinauf- und hinabgegangen. Was wird ein Reisender erzählen, der uns 1975 besucht?


Überarbeitung:

Powered by CMSimple| Template: ge-webdesign.de| html| css| Login