Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Honnigkäaukenkaschale

Honnigkäaukenkaschale
oder "Schlag nach bei Sohnrey"

Von Wilfried Hartje,
geschrieben für den Gemeindebrief
Dezember 2005


Wurde man auf der Weper um 1880 in den Weihnachts- und Neujahrswochen abends in ein Bauernhaus eingeladen, so lautete die Einladung, sofern man den zu erwartenden Genuss nicht als etwas Selbstverständliches ansah: "Wie willt äauk inbrocken!" Mit diesem Einbrocken hatte es dann folgende Bewandtnis: In einem großen irdenen Napf wurde Honigkuchen "gebrockt", Zucker und soviel Branntwein getan, dass die Brocken darin schwammen. Das war die "Honnigkäaukenkaschale" (Honigkuchenkaltschale), die von den Gastgebern und Gästen wie eine Art Suppe gemeinsam ausgelöffelt wurde. Und zwar nach altem Brauch so, dass sich alle eines und desselben Holzlöffels bedienten. Ein gemeinsamer Löffel als Sinnbild der Freundschaft und Eintracht...

Ein seltsamer, anheimelnder Reiz lag in der Einladung: "Wie willt äauk inbrocken" nicht nur für die Männer, sondern auch für die Frauen und selbst für die Kinder. "Honnigkäaukenkaschale" mochten sie eben damals alle ...

Eine Geschichte um die "Honnigkäaukenkaschale" möchte ich hier wiedergeben, denn darüber amüsierte sich der ganze Solling: Bei Bierkamps am Gasebrinke hatten sie Silvester gefeiert und natürlich tüchtig eingebrockt. Mutter Dörnte vom Nachbarhofe, die rundeste und behäbigste Frau des Dorfes, war auch dabei gewesen und musste sich wohl besonders gütlich getan haben. Natürlich war es bei dieser Feier wie immer recht spät, besser gesagt recht früh geworden, und man hatte kaum drei Stunden in den Federn gelegen, als es schon zur Frühkirche läutete. Und wer hätte bei solchem festlichen Frühglockenklange im warmen Bett liegen bleiben wollen? Denn wie das neue Jahr anfängt, so wird es auch beschlossen.

  Mutter Dörnte stob also aus den Federn und in die Kleider, um noch rechtzeitig zur Kirche zu kommen. Sie schaffte es gerade noch auf ihren Platz, ihre Backen glühten und ihre Äuglein glänzten noch vom Branntwein, aber eine tiefe Andacht durchströmte ihre Seele. Als dann die Orgel so "duseken" zu spielen anfing, vergaß sich Mutter Dörnte und schlief ein und schlief fort und schlief auch noch, als die Orgel anhielt und der Pastor mit seiner Predigt begann. Sie träumte, sie säße immer noch an Bierkamps Tische und äße immerfort Brenneweuinskaschale, obwohl sie ihr schon gänzlich über war. 

Als sie endlich aufhört, fängt "Nawers Krischan" an, ihr mit Gewalt noch einen Löffel voll aufzunötigen, eben da kommt der Kapellenvorsteher mit dem Klingelbeutel und stößt sie an. In der Meinung nun, es wäre "Nawers Krischan" aus ihrem Traume – der Pastor hat seine Predigt gerade beendet und will das Abendmahl austeilen – macht Mutter Dörnte eine energische Bewegung gegen den Klingelbeutel und ruft laut in die Kapelle hinein: "Näu ak nennen Droppen mähr!"

So ging es also vor 125 Jahren zu Zeiten meines Urgroßvaters Bierkamp auf der Weper zu, als sie dort, wie Sohnrey schreibt, „den Branntwein tranken“. "Willt wie nich oak moal weer inbrocken?" fragt der Autor dieses Artikels.


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