Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

MGV "Sängerlust" von 1880, Nienhagen

Artikel in der "Moringer Zeitung"
am 16.07.60 und 26.07.60 zum

80jährigen Jubiläum des MGV "Sängerlust" von 1880, Nienhagen 

50jähriges Jubiläum des MGV Nienhagen im Jahre 1930
vorn Mitte Prof. Sohnrey und Dirigent Welge 


Wir singen in Nienhagen
Der Nienhagener Männergesangverein "Sängerlust" feiert sein 80jähriges Bestehen

Der Männergesangverein "Sängerlust", Nienhagen leitet seine im Gründungsjahr 1880 entworfenen Statuten mit dem Vers ein: "Sollst uns nicht lange klagen - was alles dir wehe tut, - wir singen in Nienhagen - und alles wird wieder gut!". Nun wird in Nienhagen zu Ehren dieses 80jährigen Vereins drei Tage lang ein Sängerfest gefeiert.

Der MGV "Sängerlust" stellt ja insofern etwas Einmaliges dar, als er von einer Persönlichkeit gegründet wurde, die als Vorkämpfer für das Landvolk und die Entwicklung dörflichen Lebens zu Ruhm und hohen Ehren gelangte: Heinrich Sohnrey. Es ist des öfteren über diese Gründung in der Neujahrsnacht 1880 berichtet, am schönsten aber erzählt Professor Sohnrey selbst davon in seinem Buch "Zwischen Dorn und Korn" in dem Kapitel "Meine singenden Bauersleute". Er schrieb dies Kapitel, nachdem er, von Berlin kommend, 1905 das 25. und 1930 das 50. Jubiläum seines Vereins mitgefeiert hatte, die beiden einzigen gro0en Feste in diesem Jahrhundert überhaupt.

Beim 50jährigen Jubiläum am 2. und 3. Pfingsttag 1930, als Lehrer Welge Dirigent war, lebten von den Gründern neben Professor Sohnrey noch Karl Bierkamp, Heinrich König und August Bierkamp – Delliehausen. 40 Jahre gehörten dem Verein damals August Dörnte, Wilhelm Spangenberg, Karl Ahlborn und Karl Spangenberg I an. Adolf Hilke – Moringen, der jahrelang Chorleiter des MGV Nienhagen war und zum Jubiläum mit seinen Moringer Sängern kam, ernannte man an jenem Kommersabend 1930 zum Ehrenmitglied. Der Jubelverein selbst bekam durch einen Vertreter des Kreises Northeim eine vom Preuß. Staatsministerium verliehene Plakette für Volksbildung überreicht. Von jenem Kommersabend wird noch berichtet, dass Liedervater Wilhelm Herre humorig und urwüchsig in schönstem Nienhäger Plattdeutsch einen Rückblick auf die Vereinsgeschichte gab. Chorleiter Welge wünschte damals in seiner Ansprache, dass nach 25 Jahren wieder solch ein schönes Fest gefeiert werden möge. Nun, es hat 30 Jahre gedauert, und es ist in diesen 30 Jahren schwere und schwerste Zeit über unser Vaterland gegangen. Aber dem obigen Wahlspruch gemäß begann man im Jahre 1956 unter Chorleiter Liebert auch in Nienhagen wieder zu singen.

In dem Wunsch, das nach 1933 zum Erliegen gekommene Vereinssingen wieder aufleben zu lassen, kamen sich die Nienhagener Sänger und Lehrer Liebert als Chorleiter entgegen. Der alte Sangesveteran Gustav Fegebank tat das Seinige dazu, und er übernahm auch zuerst den Vorsitz, als man am 8. März 1956 den alten Verein wieder ins Leben rief. Jetzt bekleidet Karl Bornemann das Amt des 1. Vorsitzenden. Ehrenpräsident ist Christian Gehrke. Im Vereinsleben hält man sich möglichst an die traditionellen Richtlinien und beachtet die alten Daten der Generalversammlungen und der Vereinsfestlichkeiten. Pfingsten gibt es wieder das "Wackelberg-Singen", den alten Sängern werden Geburtstagsständchen gebracht; bei grünen und silbernen Hochzeiten fehlt das Lied der Sangesbrüder nicht; und wird ein Mitglied zur ewigen Ruhe gerufen, erklingt ihm der Grabgesang. – Der wiedererstandene Chor hat bereits 1957 das Sängerfest in Hevensen besucht, 1958 in Moringen mitgewirkt, 1959 bei der Wiedereinweihung der Sohnrey-Warte gesungen und am letzten Volkstrauertag die Feier der Denkmalsweihe verschönt. In diesem Jahr war er wieder beim Treffen der Solling-Sänger in Espol dabei.

Nun erwartet Nienhagen nach 30 Jahren wieder einmal selbst Gäste, Sangesbrüder aus 13 Vereinen, Freunde und Bekannte aus der ganzen Umgebung. Zu den geladenen Ehrengästen zählen auch die beiden in Neuhaus (Solling) lebenden Töchter Professor Sohnreys, Nienhagen ist der Heimatort ihrer Mutter.

Innerhalb des Dorflebens hat der MGV Nienhagen schon in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens einen wohltuenden Einfluss ausgeübt und war der Kulturträger des Dorfes, wie der Gründer in seinen Lebens-Erinnerungen schreibt. Möge der alte Verein diese Aufgabe weiterhin übernehmen und in Einigkeit und Frohsinn wirken. Möge ihm die Sangeslust nie erlahmen, eingedenk des Spruches auf seiner Vereinsfahne:

„Sind wir von der Arbeit müde,
ist noch Kraft zu einem Liede.“

H. K.


25jähriges Jubiläum des MGV Nienhagen im Jahre 1905
vorn Mitte Prof. Sohnrey und Dirigent Sippel 


Sängerlustige Nachlese aus Nienhagen

Rückschauend auf die festlichen Tage in Nienhagen darf man feststellen, dass es das Fest der letzten 30 Jahre war und es bestimmt dazu beigetragen hat, die Freude am dörflichen Gemeinschaftsfest zu festigen. Dass Nienhagen einen guten Ruf für derartige Veranstaltungen hat, bewies sich schon im Vorjahr bei der Wiedereinweihung der Sohnrey-Warte und zeigte sich beim 80jährigen Stiftungsfest des MGV "Sängerlust" in der Weise, dass die Gäste aus einem Umkreis von über 250 km kamen, auch die Autokennzeichen wiesen das aus: Berlin, Hannover, Hildesheim, Han.-Münden etc. Das alte Wort vom Kaiserruf - und alle, alle kamen, kann abgewandelt werden: Nienhagen rief, und keiner, der sich dem Weperdorf verbunden fühlte, fehlte.

Der erste Eindruck war ein schmuckes, sauberes und festlich geschmücktes Dorf, wie es das Herz eines jeden Heimatfreundes erfreut. Wenn es auch bei den Vorarbeiten zu einem kleinen "Mal-heur" kam, als ein Topf mit brauner Farbe sich von der obersten Sprosse der Leiter über den eifrigen Maler ergoss, der darauf das Fest verwünschte. Aber die Make-up-Bräune ging ab, die Wut verflog auch. Ganz in der Nähe dieses Unfalls, auf dem Platz der alten Thielinde und des Nienhäger Urquell-Brunnens, hatte man sinnigerweise aus den Steinresten ein Denkmal dem "Prohlewoter" errichtet, so dass der Prohlewoterstein eine neue Sehens-würdigkeit des Dorfes ist. Die älteren Jahrgänge der Tanten bedauerten sehr, dass diese Zeit vorbei ist, in der man täglich beim "Woterlangen" oder "Upwoschen" mal etwas prahlen konnte. Dafür sind sie aber auf dem Fest entschädigt worden, wo man die alten Bekannten und Verwandten begrüßen konnte. Immer wieder hörte man: "Och, kucke deck do, deau böss ok heier?" Die Fragen nach Gesundheit und Wohlergehen gingen hin und her, so musste auch ich mein Urteil abgeben, als eine Cousine mich fragte: hett mein Harich sich nich cheaut cheholen? Natürlich hatte er sich das, nur waren wir in den 30 Jahren ja älter geworden und einer neuen Generation stand man oft per "Sie" gegenüber, bis das verwandte Blut so stark schlug und schnell der Kontakt gefunden war. Peinlich war es ja, wenn mit Fingern gezeigt wurde: dä iss ok mett meck verwandt, und man hat die Cousine 3. Grades nicht erkannt, oder man hält die angeheiratete Cousine für ihre Schwiegermutter und sagt noch "Käthen-Tante" zu ihr. Ja, so vergehen die Jahre und verändern sich eben die Gesichter. Aber bei Tanz und Trunk wurde alles wieder in die Reihe gebracht. Wenn der seriöse Ehrengast den Vorwurf einstecken musste, dass er nur mit den älteren "Mekens danze", dann war das eben alte Liebe und Freundschaft, die nicht rostet. Der Chronist muss aber auch berichten, dass am 3. Tag vor dem Fahnenzug zum Frühstück es beinahe eine Panne gegeben hätte, weil die Fahne nicht da war, wo sie hätte sein sollen – beim Präsidenten. Da es nicht festzustellen war, ob ein Fahnenraub vorlag oder es Nachlässigkeit des Trägers war, kam es zu keinem "Kriegsgericht" wie vor 55 Jahren.

Beim Kindertanz erfreute man sich an dem kleinen Paar Heidrun-Enno, das sich vollendet auf dem Tanzboden bewegte, der kleine Kavalier hakte seine Jungfrau ein und begleitete sie nach ihrem Platz (wie wird das erst in 15 Jahren sein?). Am Abend sah man dann eine besonders tanzwütige Dame, wie sie nach jedem Tanz unter dem Tisch ihre "heißgelaufenen" Füße in einem Paar "Puschen" entspannte, die neuen Schuhe drückten wohl doch zu sehr. Und Karl, der aufgefordert wurde "lott man de Frauslüe einen utgewen", resignierte, "och, datt gat doch eaut meinen Portmanee". Ein allzu Festfreudiger machte den Vorschlag, weil das Wetter so gut sei, worum man auch gebetet hätte, das Fest um einen Tag zu verlängern. Die "Spät- und Frühheimkehrer" waren sich aber doch einig, dass nichts schwerer zu ertragen sei, als eine Reihe von guten Tagen, wovon die "besseren Ehehälften" die meiste Last hätten, ihre Männer trockenzulegen und sie in Kinderbetten zu fesseln, aus denen sie nicht fallen konnten.

Wer die Ständchensänger und "Frühstücker" am Dienstag im Morgengrauen noch nicht kennt, dem sei nur verraten, dass der Chronist zu ihnen gehörte, was ein Beweis dafür war, dass er die wunderschönen Tage bis zum Schluss auskosten wollte, dafür aber auch versichern darf, ein solches Fest in Harmonie und herzlicher Gemeinschaft noch nie erlebt zu haben. So möge als Dank für die Gastfreundschaft und erlebnisreichen Tage das kleine Gedicht diesen Bericht beenden.

N I E N H A G E N

Du Dorf im stillen Wepertal,
Dich ziert nicht große Pracht,
Du strahlst in Gottes weitem All
wie ein Stern in dunkler Nacht.

Dich krönt nicht eitles Menschenwerk,
Du warst von Anfang schlicht.
Dir blieb der Vätertreue Stärk’,
wie dein Herz, so die Zunge spricht.

Du trägst die Zeiten schicksalhaft
und singst der Heimat Lied,
Dein Schutz ist Gottes Burgen Kraft,
bleib Deinen Söhnen lieb!

L. K.


Powered by CMSimple| Template: ge-webdesign.de| html| css| Login