Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Bäuerliche Jugendregeln

Märchen und Sagen
rund um Nienhagen 
Bäuerliche Jugendregeln für junge Mädchen, die zum Tanze gehen wollen

Eine sehr nüchtern und praktisch denkende alte Bauersfrau auf der Weper, die in ihrem ganzen Leben keine Zeitung, außer Bibel und Gesangbuch, überhaupt auch kein Buch gelesen hatte, pflegte ihren Kindern und Enkeln gern die folgenden Geschichten zu erzählen, die sie selbst treffend als Jugendregeln bezeichnete:

Auf einem Hofe waren zwei Dienstmädchen, das eine war sittig und fleißig, das andere liderlich und faul. Als nun die Kirmes kam und die Musikanten vor dem Kruge schon zum Antritt spielten, sagte Jungfer Liderlich zu der anderen: "Halloh, halloh, weui willt laus gahn!" Die andere aber sagte: "Noch nech, eck mäaut eest meuin Hemet flicken!" (Sie müsse erst ihr Hemd flicken.)

"Ach wat, Hemet flicken!" entgegnete Jungfer Liderlich, "eck schärte ‘n Kno’n erin!" und hopserte allein fort.

Fritz aber, ihr Bräutigam, war heimlich zur Hintertür hereingekommen, um seine Braut abzuholen. Als er nun die schnurrige Unterredung hörte, machte er große Augen und ging leise wieder zur Hintertür hinaus. Es war ihm nicht gut zu Mute, aber er ging doch nach dem Tanzsaale und stellte sich in die Mitte an den Pfeiler, um den herum getanzt wurde. Als nun Jungfer Liderlich mit lautem Juchzer auf ihn zukommen wollte, lief er nach der Musikantenbühne und sang den Musikanten zu:

Die mit dem Knoten vorm Knie,
Die ist schon hie;
Die mit dem Flicken
Läßt sich noch nicht blicken.

Dann stellte er sich wieder an den Pfeiler und kümmerte sich um nichts. Als einige Zeit danach aber die flickeifrige Magd auf den Saal kam, griff er schleunigst nach ihr und führte sie in den Reigen, indem er sang:

"Flicken aufs Loch,
Dich lieb ich noch;
Knoten vorm Knie -
Mädchen, bist du auch hie?"

So hatte Jungfer Liderlich das Nachsehen und noch Spott und Hohn des ganzen Dorfes dazu.

Noch eine andere Geschichte, die aber nicht viel anders ist: Eine Herrschaft hatte eine Tochter, die war sehr trägen Sinnes, doch nicht faul, wenn der Bräutigam kam. Saß sie am Spinnrocken und der Bräutigam war nicht da, glich das Spinnrad einem Mühlenrade, dem das nötige Wasser mangelt, und wenn sie die Hände rührte, so tat sie doch fast nichts, als dass sie von dem kostbaren Flachse lauter "Schlickerlinge" riss und um sich herum warf. Die Magd, die das sah, las die "Schlickerlinge" allemal zusammen und konnte sich schließlich einen wunderhübschen Rock daraus machen. In dem neuen Rock ging sie dann auch zu Tanze, und alle braven Burschen "kriegten sie her", während mit der Tochter ihrer Herrschaft außer dem Bräutigam niemand tanzte. Diese ärgerte sich darüber nicht wenig, und als die Magd wieder mit einem hübschen Knechte an ihr vorübertanzte, rief sie: "Süh mal, wat kann iuse Maged espringen in meuinen Schlickerlingen!"

Der Bräutigam fragte sie nach dem Sinne ihrer Rede, und als er vernahm, was für eine Bewandtnis es mit den Schlickerlingen hatte, ließ er seine Braut stehen und forderte die Magd zum Tanze auf. "Ja, und was soll ich euch sagen, nicht die Tochter hat er nachher geheiratet, sondern die Magd."


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