König Wackel

Märchen und Sagen
rund um Nienhagen
König Wackel

Zwischen Nienhagen und Oldenrode liegt der Wackelberg. Auf ihm steht eine alte Buche; zwischen ihren Wurzeln ist ein Loch, das tief hinunter in die Erde zum Schlosse des Königs Wackel führt. Der Wackel war ein Zwergenkönig; in alten Zeiten ließ er sich öfter auf der Erde sehen, um Armen und Notleidenden mit seinen reichen Schätzen beizustehen; er trug eine graue Hose und hatte ein rotes Röcklein an; auf seinem Kopfe saß eine goldene Krone. Wegen seines wackelnden Ganges nannten ihn die Leute „König Wackel“.

Einst war eine große Teuerung im Lande, sodass viele Leute vor Hunger sterben mussten. Da lebte in Nienhagen ein armer Tagelöhner, der ganz besonders schwer mit seiner Familie unter der Teuerung zu leiden hatte. Eines Abends lagen Mann und Frau zu Bett; da sprach die Frau: "Wir haben nur noch ein kleines Stückchen Brot, das wollen wir morgen essen; dann müssen wir sterben, wie die anderen." Das hörte die Tochter, ein achtjähriges Mädchen, die mit ihnen in der Kammer schlief; sie rief: "Nicht sterben! Ich gehe morgen in den Wackelberg und suche Beeren, verkaufe sie in Moringen und kaufe uns für das Geld Brot. So mach ich's alle Tage bis die Teuerung vorüber ist." Mit diesem tröstlichen Gedanken schliefen sie ein.

Am anderen Morgen nahm sich das Mädchen wirklich ein Körbchen, ging in den Wackelberg und suchte Beeren; doch fand es leider keine. Entmutigt setzte es sich an der alten Buche nieder und weinte bittere Tränen. Auf einmal stand ein kleines Männlein vor ihm und fragte, warum es denn so weine. Es erzählt seine Not. Da spricht das Männlein: "Ich bin der König Wackel und will euch helfen, wenn du mir versprichst, niemand zu sagen, wer euch geholfen hat."

Das Mädchen versprach es, und der König zeigte ihm die Stelle, wo es alle Tage Brommbeeren finden könne, so lange die Teuerung währe.

Wie er das gesagt, war der König Wackel wieder weg; das Mädchen aber hatte schnell sein Körbchen voll der schönsten Beeren, ging damit nach Moringen, verkaufte sie und kaufte Brot für den Erlös.

Große Freude gab's im Elternhause, wie sie mit dem Brote kam. So ging's alle Tage, bis die Teuerung anderen Zeiten wich.

Als das Mädchen nun eines Morgens an dem Buchenbaume vorübergehen wollte, stand der König Wackel wieder da und sagte: "Heute findest du zum letzten Male Beeren, und weil du Wort gehalten hast, so will ich dich und deine Eltern reich belohnen. Verkaufe die gepflückten Beeren heute nicht, bringe sie nach Haus zu deinen Eltern und lasset sie Euch schmecken." 

Das Mädchen tat, wie ihm befohlen, fand diesmal noch viel schönere Beeren als bisher, und als es sie zuhaus in eine Schale schüttete, waren es lauter goldene Beeren. Die Goldkörner verkauften sie und waren reich für ihr Lebtag.

Nach W. Bauer, Lehrer in Nienhagen


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