Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Nienhagener Zwerge

Märchen und Sagen
rund um Nienhagen
Nienhagener Zwerge
auf der Trögener Kirmes

In Nienhagen hausten ehedem noch mehrere Zwerge. Eine dieser Zwergfamilien haben alte Leute dort noch ganz gut gekannt. Die wissen auch noch das Haus, das die kleinen Kreaturen bewohnten. Waren nun mal zwei Brüder aus diesem Hause hinüber nach Trögen gegangen, um dort die Kirmes mitzufeiern. 

Die alten Tröger aber hielten sehr auf gute Gastfreundschaft, wie die heutigen Tröger das ebenfalls tun. Und so wurden dann die beiden "Negenhäger"selbstverständlich auch mit zu dem Kirmesbraten eingeladen. Der ältere Bruder wurde darüber vor Freude ganz ausgelassen und schlug die drolligsten Purzelbäume; der jüngere aber, der blöde war und sich immer erst gern nötigen ließ, tat so, als wär's ihm gar nicht ums Essen, obwohl ihm im stillen nach dem Braten schon der Mund wässerte. Als nun alle Gäste zu Tisch "genötigt" *) waren, sagte der jüngste Zwerg imer noch: er danke, er habe schon gegessen. Trotzdem nötigten die Hausleute nach der üblichen Weise noch immer zu und wurden ordentlich ärgerlich, dass er nicht mit an den Tisch wollte. Da grinste der ältere Zwerg, der Mund und beide Backen voll hatte, und sagte, man möge seinen Bruder nur nicht weiter quälen, denn was er einmal sage, das meine er auch so. Ärgerlich schüttelte der Hauswirt den Kopf und sagte: "Wenne denn nich wutt (willst), denn kann 'ck deck nech ehelpen."

Und da saß nun der jüngere Zwerg beim Ofen, stumm und starr, kreidefarbig im Gesichte und vorwurfsvolles Knurren im Magen. Vergeblich wartete er, dass die Hausleute nur noch einmal nötigten; - sie dachten nicht mehr daran, und mit fürchterlichem Ingrimm sah er auf den geschwinden Mund seines glücklichen Bruders, der ihm dann und wann lächelnd zunickte und mit dem ganzen Gesicht zurief: "Ha, wo dat awer smecket!"

Nach dem Mahle ging's wieder zum Kirmesplatze, und als am Abend die kleinen Brüder sich auf den Heimweg machten, der eine unter lustigen Sprüngen, der andere mit gräulich grollendem Magen, gerieten sie in heftigen Wortwechsel, der sogar in Tätlichkeiten ausartete. Der ältere, durch den Kirmesbraten sehr gestärkt, packte den jüngeren bei den Haaren und bläuete ihn dermaßen durch, dass der arme Knirps mehrere Stunden das Aufstehen vergaß. Das hätte sich bei der Linde zugetragen, die am Wege nach Nienhagen stand, leider aber inzwischen der Axt zum Opfer gefallen ist.

*) Anmerkung

Eine in der Gastfreundschaft wurzelnde besondere Eigenart im Solling ist das "Nötigen": Kommt man in ein Bauernhaus auf Besuch, so ist es selbstverständlich, dass man sehr bald an den Tisch genötigt wird. Und hat man am Tische Platz genommen, auf dem Wurst und Schinken und was es sonst gibt, überreichlich aufgetragen ist, wird man immer wieder genötigt, auch tüchtig zuzulangen. Dieses Nötigen gehört so sehr zum Vesper, dass man sich unwillkürlich geniert, weiter zu essen, wenn das Nötigen aufhört. - Es hört aber nicht auf.


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