Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Aus dem Wanderbuch eines Drechslergesellen

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 16. 09. 67:
Aus dem Wanderbuch eines
Moringer Drechslergesellen

M o r i n g e n • Zur Zeit des Zunftzwanges der Handwerker waren auch die Wanderjahre der Handwerksgesellen Pflicht. Erst nach der Wanderschaft konnte ein Handwerksgeselle Meister werden. In vielen Familien werden noch alte Wanderbücher aufbewahrt. So auch in der Familie Groffebert, die bis etwa zur Jahrhundertwende in Moringen ansässig und mit vielen alten Moringer Familien versippt war. Der Name Groffebert erscheint im Laufe der Zeit in verschiedener Schreibweise, auch Grafebert und Groffevert.

Ein Otto Groffebert war vor dem Zweiten Weltkrieg Landgerichtsrat in Greifswald und Studienrat Heinrich Groffebert aus Greifswald hat 1937 in den Heimatblättern über das Wanderbuch eines Bruders seines Urgroßvaters aus Moringen geschrieben. Dieses Buch umfaßt Wanderjahre von 1838 - 1848. Seit 1831 war in Preußen die allgemeine Pflicht des Gesellenwanderns aufgehoben, weil diese leicht zu Bettelei und zwecklosem Umherschweifen verführte.

Die Erlaubnis zum Wandern wurde nun an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Zum Beispiel musste der Geselle bei Antritt der Wanderschaft eine bestimmte Geldsumme vorweisen (in Preußen mindestens 5 Taler), außerdem die erforderliche Kleidung und Wäsche besitzen, gesund und unbescholten und nicht älter als 30 Jahre sein. Den wandernden Gesellen wurde scharf auf die Finger gesehen: Sie mussten sich bei der Polizei eines jeden Ortes melden, in dem sie sich länger als zweimal 24 Stunden aufhielten. Dort mussten sie, wenn sie keine Arbeit gefunden hatten, das nächste Reiseziel angeben, wobei die Behörde bestimmte, in welcher Zeit das Ziel erreicht sein musste. Durch diese Maßnahmen suchten Preußen und Hannover und wohl auch alle anderen deutschen Länder die Verwahrlosung der ehrbaren Handwerksgesellen zu verhindern.

Der Inhaber unseres Gesellenbuches ist der spätere Drechslermeister Georg Grafebert (1821-1892), dessen Grabstein hier noch auf dem Mannenfriedhof steht. Das Wanderbuch ist von dem Bürgersenator Poten im Oktober 1838 ausgestellt für "Georg Grafebert, gebürtig und wohnhaft in Moringen, seines Zeichens Drechslergesell in Holtz, 17 Jahre alt". Es folgt eine Personenbeschreibung und die eigenhändige Unterschrift des Inhabers. Weiter wird ihm bescheinigt, daß er die "Drechslerprofession hier zünftig erlernte und das Wanderbuch behufs Antretung seiner Wanderschaft" erhält. Zunächst will er über Einbeck nach Braunschweig.

Ob er diese Reise angetreten hat, ist aus dem Wanderbuch nicht ersichtlich, denn die nächste Eintragung ist wieder aus Moringen, diesmal ein Visum nach Münden vom Juli 1839. Bis Oktober 1839 hat Georg Grafebert in Münden "mit gutem Betragen in Arbeit gestanden", zum Winter ging er dann nach Hause zurück. Dann ruht das Buch 3 ½ Jahre.

Georg Grafebert hat inzwischen die Drechslerkunst in Horn erlernt und ist 22 Jahre alt geworden und damit in das militärpflichtige Alter gekommen. Bürgermeister Wuthmann bescheinigt ihm jedoch, dass er "rücksichtlich der Militärpflichtigkeit ohne Bedenken ins Ausland wandern kann, da er hier hinreichendes Vermögen besitzt und im schlimmsten Falle für ihn ein Stellvertreter gestellt werden kann". Nach der Hannoverschen Wehrverfassung brauchte nur jeder erste, dritte und fünfte Haussohn Soldat zu werden, und auch der konnte sich durch einen Ersatzmann auf seine Kosten vertreten lassen.

So tritt Georg Grafebert am 1. Mai 1839 seine große Wanderschaft an. Zunächst geht es in die Landeshauptstadt Hannover, von dort ohne Aufenthalt weiter nach Hamburg über Celle in 5 Tagen. In Hamburg findet Georg Grafebert Arbeit für ein Vierteljahr. Mitte August setzt er seine Reise fort, zuerst nach Lübeck, weiter über Rehna, wo ihm bescheinigt wird, daß er mit Reisegeld versehen ist, weiter nach Wismar und Schwerin. Hier findet er zum zweiten Male Arbeit für ein paar Wochen. Am 14. Oktober marschiert er auf Berlin los, wo er den Winter über zu bleiben gedenkt. Er wandert über Ludwigslust nach Perleberg. Aber unterwegs in Kyritz bietet sich ihm noch einmal Gelegenheit zu bleiben, und so arbeitet er noch bis zum 6. November bei Meister Schönemann. Dann wird es aber Zeit, nach Berlin zu kommen, das er in drei Tagen erreichen muss.

Bis zum Juni 1844 hat Georg Grafebert in Berlin in Arbeit gestanden, dann macht er sich wieder auf den Heimweg, denn im Herbst will er wieder zu Hause in Moringen sein. So wandert er nach Magdeburg, wo er einige Wochen bei Meister Siebert arbeitet, und dann im Juli über Braunschweig nach Hannover. In der Landeshauptstadt macht er die letzte Station bis zum 14. Oktober, dann erhält er das Visum nach Moringen und ist wohl einige Tage darauf wohlbehalten bei seiner Mutter und seinen Geschwistern angekommen. Die letzte Eintragung in dem Wanderbuch stammt aus dem Jahre 1848, ein Visum von Moringen nach Braunschweig. Ob Georg Grafebert diese Reise gar nicht angetreten hat oder ob die üblichen Eintragungen und Visa bei den unruhigen Verhältnissen des "tollen Jahres" unterblieben sind, ist ungewiss.

Die letzten Seiten des Wanderbuches hat der sparsame Meister Georg Grafebert später als Bestellbuch in seinem Drechslergeschäft benutzt. Georg blieb unverheiratet. Er betrieb mit seinem um fast 10 Jahre älteren Bruder Ernst gemeinsam das Drechslerhandwerk, das sie von ihrem Vater Heinrich Groffebert übernommen hatten. Heinrich hat noch als Geselle erlebt, wie in Moringen die Drechslergilde gegründet und von dem Landesherrn privilegiert wurde. Im Schild des Siegels sind die Gegenstände des Meisterstücks der Drechsler dargestellt: Gewürzbüchse, Rad des Spinnrads, Kugel im Zirkel und Schachspielspringer. Geteilt ist der Schild von den Drechslerwerkzeugen, zwei übereinanderliegenden Stemmeisen und einem Messer.


© Wilfried Hartje 2003

Mein ganz besonderer Gruß geht nach Rosenheim und Frankfurt/M. zu Frau Eleonore Piazolo bzw. Dr. Hans Groffebert, nachdem im Jahre 2003 nach mehr als 90 Jahren wieder ein Groffebert Moringer Boden betreten hat.


Zur Person:
Georg Growebert
Quelle: Moringer Kirchenbücher

Johann Georg Diederich Growebert, unverehelicht, evang.

* am 6.7.1821 in Moringena, getauft im Juli 1821

† am 7.2.1892 in Moringen, begraben am 10.2.1892

──────────────────── Titel und Ernennungen ─────────────────────

          unverehelicht

─────────────────── Ausbildungen und Berufe ────────────────────

          Drechslermeister

──────────────────── weitere Informationen ─────────────────────

Konfirmation         1835      in Moringen

Eltern :      

Johann Heinrich Christian Friedrich Growebertb, * am 2.1.1782 in Moringen, † am 8.12.1824 ebd. Wassersuchtc, begr. am 11.12.1824, evang. ∞ am 29.7.1806 in Moringen mit Johanne Christine Luise Honigd, * am 17.3.1778 in Moringen, † am 18.10.1852 ebd. Brustfiebere, begr. am 23.10.1852f, evang.

Geschwister :               

Johann Ludewig Growebert * am 5.11.1807, † am 27.7.1831

Johann Heinrich Christian Grofebert * am 16.3.1810, † am 15.12.1843

Heinrich Zacharias Ernst Grofebert * am 28.9.1812, † am 4.5.1877

Johanne Charlotte Growebert * am 4.8.1815, † am 12.6.1895

Hanne Dorothee Louise Grofebert * am 3.10.1818, † am 17.12.1881

─────────────────────── Anmerkungen ────────────────────────

a)   morgens 2 Uhr

b)   1836: Bürger, Brauer, Drechslermeister

c)   abends 11 Uhr an der Wassersucht

d)   1852: hinterläßt 2 Söhne u 2 Töchter

e)   nachts 12 Uhr am Brustfieber, alt 74 J. 7 M.

f)    still begraben


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