Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Alte Geschichten aus dem Moringer Ratskeller

Artikel in der "Moringer Zeitung" v. 04. 06. 66:

Alte Geschichten aus dem Moringer Ratskeller
Ein Einbrecher - Der verlorengegangene Weinreisende

Der Moringer „Ratskeller“, eine Aufnahme aus dem vorigen Jahrhundert. Das Mühlenwasser lief damals noch offen die Scheunenstraße hinunter; inzwischen ist es längst verrohrt.

M o r i n g e n - Das waren ge- mütliche Zeiten im letzten Jahr- zehnt des vorigen Jahrhunderts, auch in Moringen, auch im Moringer "Ratskeller". Der "Ratskeller" war damals der Mittelpunkt Moringer Gastlichkeit. Sein Wirt und ein Kellner, samt Hausburschen und zugleich Kutscher, waren mit weiterem Personal um das Wohl der Gäste und Logiergäste bemüht, in der großen Küche briet und brutzelte man für sie aufs beste. Außer den Moringer Bürgern kehrten gern Reisende im "Ratskeller" ein, nahmen dort mehrere Nächte ein Zimmer und bereisten tagsüber die Nachbarorte, wozu der "Ratskeller" oft auch Kutsche und Kutscher zur Verfügung stellte. Manche heitere Episode spielte sich damals in dem gastlichen Hause ab, niemand konnte besser davon erzählen als der Wirt selbst, und er erinnerte sich noch im hohen Alter gern dieser und jener Begebenheit.

So erzählte er, den nun schon lange der grüne Rasen deckt, einmal in einer geselligen Stunde: Weckten mich an einem sehr frühen und dunklen Wintermorgen die Hausmädchen mit dem Rufe: "Stehen Sie schnell auf, wir haben einen Einbrecher im Hause!" Ich schnell in die Kleider und den Revolver zur Hand genommen. Mein Hausknecht, den ich wecken wollte, war ebenfalls durch verdächtige Geräusche aufgeschreckt und stand schon mit dem "Eichheister" parat. Er wurde auf der unteren Diele postiert, die Mädchen bekamen ihre Plätze zugewiesen, ich selbst ging schwer bewaffnet auf die Gaststubentür zu. Da ein lautes Geschrei: "Laten se man, laten se man, es is ja ause Wilhelm!"

Und jetzt klärten sich die Einbruchsgeräusche auf eine tragikomische Weise auf. Wilhelm, der Kellner, hatte noch spät einem Gast Speisen serviert und wusste davon noch einige Reste stehen. Diese wollte er sich heimlich holen, und zwar durch ein Schiebefenster. Beim Versuch, hindurchzukriechen, blieb er aber stecken, wurde noch von einem Haken festgehalten, konnte nicht vor und nicht zurück und hatte die Nacht, da er sich nicht verraten wollte, in dieser wenig angenehmen Lage verbracht. Unter großem Gelächter wurde der "Einbrecher" nun aus seinem schwebenden Zustand erlöst und ins Bett geschickt, um die verlorene Nachtruhe nachzuholen.

Nicht minder drollig war das Erlebnis mit dem verlorenen Weinreisenden: Kam da eines Tages ein Weinreisender in den "Ratskeller" und wollte nach Fredelsloh gefahren werden. Ich wusste, Weinreisende brauchen besonders gute Betreuung, der vielen Weinproben wegen, und so schickte ich meinen Heinrich mit, der schon lange Jahre bei mir Hausdiener war, zuverlässig, mit guter Erfahrung. Sie fuhren los. Es war Spätherbst und unfreundliches Wetter.

Um Mitternacht war Heinrich mit seinem Weinreisenden immer noch nicht zurück. Ich machte die Gaststube dicht. Draußen tobten Sturm und Regen, es war finster, dass man keine Hand vor Augen sehen konnte. Ich setzte mich also hin und wartete und nickte ein wenig ein. Heinrich würde mich schon, wie immer, durch Peitschenknallen wecken. Nach einer Weile kam auch der Wagen angerollt - ein Break mit Verdeck - und hielt vor der Haustür. Ich ging, um den späten Gast zu empfangen, öffnete die Wagentür, doch der Wagen - war leer. "Heinrich", rief ich, "da sitt ja keiner inne!" "Nee? Da hebbe ek’n wull verlurn? In Lutterbeck was hei noch da, da wull ek’n eigentlich festbinnen."

Ich ordnete an, dass der Wagen unter den Schuppen gefahren wurde, zog meinen "Wasserdichten" an und nahm die Laterne: "Heinrich, wei möt’n seuken." "Bei düssen Wedder?" Ich versuchte, dem nach seinem warmen Bett verlangenden Heinrich klarzumachen, daß man einen Menschen nicht in finsterer Nacht auf der Landstraße liegen lassen darf, zumal Heinrichs Zuverlässigkeit dieses Mal versagt hatte. Man könne sich ja einen Mord auf das Gewissen laden. Heinrich seufzte, ob man nicht doch noch einmal in den Wagen gucken wolle. Na schön. "Herr, wei hebbet Glück!", schrie Heinrich. Tatsächlich: Unter den Sitzen lag der Weinreisende wie ein Schüsseltuch und schlief den Schlaf des Gerechten.

Erst am anderen Abend hatte sich der Weinreisende von seiner Fahrt nach Fredelsloh soweit erholt, dass er sich wieder in der Gaststube zeigen konnte.

Der Autor dieser Homepage erinnert sich noch gern an die Gemütlichkeit und das gute Uslarer Bier, das es bei Frieda und Walter Schüler, dem letzten Wirtsehepaar bevor der Ratskeller seine Pforten schloss, gab, und an Tante Friedas "Strammen Max" mit Ziegenbutter aus eigener Herstellung zubereitet. - Das gibt's nie wieder ...

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