Moringer Geschichte(n) - Moringer Familien

Die Nienhagener Kapelle

Die Nienhagener Kapelle
- Fortsetzung -

von Wilfried Hartje,
geschrieben für den Gemeindebrief
Februar 2007


Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem ich Ihnen in der Vorweihnachtszeit des letzten Jahres die Sage vom Ritter Benno, der Entführung der Fredelsloher Nonne und der Stiftung der Nienhagener Kapelle erzählt habe, wenden wir uns heute den Fakten zu. Ich habe aus den "Heimatglocken" von 1911 für Sie zusammengetragen, was dort über die Nienhagener Kapelle an Material zu finden war.

Wann die Kapelle erbaut ist, darüber gibt leider keine Urkunde mehr Aufschluss. Allerdings lässt ihre Bauart auf die frühgotische Periode schließen, also das 13. Jahrhundert. Die Kapelle ist rechteckig, 14,61 m lang und 6,72 m breit. Auffällig sind die steilen Giebel (1). Am Westende der Nordseite befindet sich als Eingang eine kleine, von innen leicht verbarrikadierbare Spitzbogentür (4). Im Ostgiebel finden wir ein kleines Spitzbogenfenster (2), die übrigen Fenster sind jüngeren Ursprungs und erst 1872 eingefügt worden. Obwohl die Kapelle bis zu den Scheiteln der Kreuzgewölbe nur 4,24 m hoch ist, beträgt die Höhe ihrer Umfassungsmauern etwa 10 m (3). Der Raum oberhalb der Gewölbe war ursprünglich der Höhe nach durch ein Gebälk in zwei Etagen geteilt. Diese dem St. Johannes geweihte Kapelle ist eine sogenannte Befestigungskapelle, versehen mit vielen Schießscharten. Im 13. Jahrhundert war man gezwungen, solche Gotteshäuser zu bauen, um einen Platz zu haben, in den sich die Dorfbewohner bei einem räuberischen Überfall mit ihrer Habe flüchten und verteidigen konnten.

Der Altar der Kapelle ist aus Stein. Ein Turm fehlt heute. Es ist aber überliefert, dass der Wehrbau bei einem Umbau 1450 ein Türmchen erhielt, wahrscheinlich auch mit einer kleinen Glocke. 1653, auf einem Merianstich, ist das Türmchen noch vorhanden, aber auf einem Bild von 1850 schon nicht mehr.

Dafür finden wir in der Mauer oben auf der Nordseite statt dessen ein kleines Schallloch, in dem eine 100 kg schwere Glocke hängt. Sie trägt die Inschrift:

"Alles was Odem hat lobe den Herrn."

Sie ersetzte die ursprüngliche Glocke, die 1878 durch Frost zersprungen war. Im Jahre 1929 wurde von der Gemeinde Eboldshausen eine zweite, sehr alte 150 kg-Glocke angekauft. Diese trägt die Inschrift:

"... Christopherus Roffkarn Pastor hierselbst - Christoph Lutsien Kirchenvater - Heiso Meyr gos mich zu Wolfenb. Anno 1681 ..."

Im Jahre 1901 wurde das Kapelleninnere grundlegend renoviert. Dabei wurde ein halbkreisförmiger aus Quadern bestehender Triumphbogen zwischen dem Chorgewölbe und dem östlichen der beiden durch einen Gurt getrennten Kreuzgewölbe des Schiffes entfernt und die Kapelle bekam ihre heutige Raumaufteilung. Ob diese Erneuerungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abbrennen der Schule im Jahre 1900 standen (in direkter Nachbarschaft südlich der Kapelle), ist mir nicht bekannt.

1955 erfolgte eine weitere Instandsetzung der Kapelle.

In dem kleinen Garten nördlich der Kapelle, in dem einst die 1873 wegen Baufälligkeit abgerissene "alte Schule" stand, lag 1911 noch ein alter Taufstein aus dem Gotteshaus, allerdings weder mit Inschrift noch mit Jahreszahl.

Bis zur Zeit der Reformation gehörte unsere Gegend zum Erzbistum Mainz und zwar zum Banne Nörten. Diesem unterstand auch der Erzpriester-Bezirk Moringen mit der St. Martinikirche, die als Mutterkirche aller Kirchen und Kapellen der näheren Umgebung fungierte. In dieser Eigenschaft stand ihr das Recht zu, zu taufen, überhaupt die Sakramente zu verwalten.

Da aber die Wege zu den einzelnen Ansiedelungen zu weit und zu beschwerlich waren, wurden in diesen Gemeinden im 12. und 13. Jahrhundert Kirchen und Kapellen errichtet. Manche von ihnen erhielten im Laufe der Zeit das volle Pfarrrecht, einschließlich des Taufrechtes.

Manche Kapelle verdankt auch einem Gelöbnisse oder einer sonstigen Begebenheit ihre Entstehung. So soll es auch bei der Nienhagener Kapelle gewesen sein. Damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der im letzten Gemeindebrief vorgestellten "Ritter-Benno-Sage".


Überarbeitung:

Powered by CMSimple| Template: ge-webdesign.de| html| css| Login